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17. Velazquez: Die Krönung Mariä. Velazquez hat dieses feierliche
Bild des Triumphes der Himmelskönigin für seine irdische
Königin, offenbar für Philipps IV zweite Gemahlin, die Königin
Marianne, zwischen 1650 und 1660 gemalt. Die Himmelzeremonie
geht in den Wolken vor sich. Auf "Wolken thront Maria
mit majestätischer Würde und grossartiger Bewegung in der
Mitte des Bildes; auf etwas höheren Wolken thront rechts die
Greisengestalt Gottvaters, links die kräftige Männergestalt
Gottes des Sohnes. Mit ihrer rechten Hand halten beide die
Bosenkrone über dem Haupte der Gebenedeiten. Zwischen
ihnen, über der Krone aber, von Lichtstrahlen, wie von Badspeichen
umgeben, schwebt in Taubengestalt Gott der heilige
Geist. Man hat das Bild daher auch als „Trinidad" bezeichnet.
Aber Maria ist doch die Hauptperson; auf sie bezieht sich
doch die Handlung der Dreieinigkeit, und ihr dienen doch die
Engel und Seraphim, die als Flügelknäbchen und Flügelköpfchen
unter ihr und in den Wolken schweben. Man kann sich
denken, dass es so recht ein Bild nach dem Herzen einer spanischen
Königin war. Für uns andere Sterbliche ist es zu
zeremoniell; um zu unserem Herzen zu sprechen. Aber gemalt
ist es grossartig im freiesten, flüssigsten Altersstil des Meisters;
und schliesslich zeigte sich dessen richtige künstlerische Einsicht
doch wohl auch darin, dass er die himmlische Haupt- und
Staatsaktion mit zeremonieller Würde ausstattete und in eine
ernste, erdenferne Farbenfülle hüllte.
18- Velazquez: Christus am Kreuze. Im Jahre 1638 für das
Nonnenkloster San Placido in Madrid gemalt, gehört dieses
ergreifende Bild zu den reifen Meisterwerken der mittleren
Zeit des grossen Sevillaners. Der Hintergrund ist raumlos
schwarz. Auch dass alle vier Kreuzesarme den Bildrand berühren
, erhöht den Eindruck der Idealität dieses Baumes. Aber
das Kreuz selbst, aus dem das blutüberströmte Fussbrett, gerade
von vorn gesehen, plastisch hervortritt, ist ein wirkliches
Holzkreuz; und der Heiland, der, schon verschieden, an ihm
hängt, ist in voller malerischer Körperlichkeit dargestellt. Es
ist der vorzüglich gemalte Akt eines wohlgebauten dreissigjäh-
i'igeri Mannes. Altertümlich streng, wie die vollkommene Fron-
talität des gerade von vorn gesehenen Körpers, wirkt die
Stellung der einzeln genagelten Füsse nebeneinander, die seit
•Jahrhunderten zugunsten der Annagelung der gekreuzten Füsse
mit einem gemeinsamen Nagel aufgegeben, von Pacheco aber
als archäologisch richtig, wieder theoretisch empfohlen worden
und hier von seinem Schwiegersohn Velazquez wieder in die
-Praxis eingeführt worden war. Modernpathetisch aber wirkt
das Motiv der durch die Neigung des Kopfes des Heilands
vornübergefallenen rechten Hälfte seines braunlockigen Haupthaars
, dessen Schatten sich mit den Schatten des Todes in
seinem Antlitz vermischen. Prachtvoll ausgeglichen ist der
nackte Leib gerade von vorn beleuchtet. Das hellste Licht ist
m dem blendend weissen Schurze zusammengefasst. Massvoll,
aber realistisch ist das den AVunden entströmende rote Blut
wiedergegeben, wogegen der aus kurzen Lichtstrahlen gewebte
Heiligenschein hinter dem Haupt des Erlösers uns wieder der
irdischen Wirklichkeit entrückt. Wer jemals vor diesem Bilde
gestanden, wird es ewig vor Augen behalten.
19. Velazquez: Mars. Waren die mythologischen Bilder der
früheren Zeit des Velazquez, wie Bacchus unter den Trinkein
und Apoll in der Schmiede Vulkans, ihrem innersten Wesen
nach sittenbildlicher Natur, so sind die mythologischen Darstellungen
seiner Spätzeit, zu denen unser Kriegsgott gehört,
von Haus aus Zimmer- und Saal-Dekorationen gewesen. Der
Mars war in der Torre de la Parade zwischen zwei griechischen
Philosophenbildern des Meisters angebracht. Es ist ein ruhender
Kriegsgott, wie der marmorne Ares Ludovisi, der sich jetzt
im National-Museum zu Born befindet. Das Motiv des angezogenen
linken Beins entlehnte Velazquez, worauf schon Justi
aufmerksam gemacht hat, dieser Statue. Im übrigen aber
dachte er natürlich nicht daran, eine Marmorstatue nachzuahmen
, um ein Gemälde zu schaffen. Er übersetzte sich das
Motiv des ausruhenden Kriegsgotts ins Malerische und zugleich
ins Bealistische. Dass wenig mehr dabei herausgekommen, als
eine mit dem Helm geschmückte männliche Aktfigur die auf
ihrem herabgefallenen roten Mantel am Bettrand sitzt, während
ein Schild und andere Wehr und Waffen zu ihren Füssen
liegen, lässt sich freilich nicht in Abrede stellen. Aber der
nackte irdische Krieger, der Velazquez Modell gesessen, ist
von wunderbar ebenmässigem und wunderbar kräftigem Körperbau
gewesen; und die Oberfläche seines Körpers ist mit dem
vollsten Verständnis der reifsten Zeit des Meisters modelliert;
das Blau des Schurzes und das Bot des herabgeglittenen Mantels
bilden mit dem gesunden Fleischton einen sonoren Dreiklang;
und die feinen Beflexe im Helm und im blanken Schild, in
dem der rote Mantel sich spiegelt, verbreiten eine gewisse
künstlerische Verfeinerung über das Bild. Ein Velazquez echtester
Art ist und bleibt auch dieser Kriegsgott.
20. Tizian: Donna Isabella von Portugal. Tizian hat Karls V
Gemahlin zweimal gemalt, ohne sie je im Leben gesehen zu
haben, einmal auf einem Bild mit ihrem kaiserlichen Gatten,
das anderemal allein. Jenes Bild ist verloren, dieses im Prado
erhalten. Ueber die Entstehung dieses Bildes sind wir ziemlich
genau unterrichtet. Im Juli 1543 hatte Tizian von Karl ein
..sehr ähnliches, obschon mittelmässiges" Porträt Isabellens (die
damals bereits verstorben war) als Vorlage erhalten, ungefähr
ein Jahr später richtete Aretino an den Kaiser einen der bei
ihm üblichen Briefe, in welchem er das Bild mit Ueberschwang
preist; Anfang Oktober 1545 waren Bild und Vorlage in Händen
des spanischen Gesandten in Venedig. Der Kaiser scheint
das Bildnis sehr hoch gehalten zuhaben; es hat ihn, mit mehreren
tizianischen Arbeiten, in seine Einsamkeit nach Yuste
begleitet. — Unter Tizians Bildnissen nimmt es einen sehr hohen
Bang ein; vielleicht ist es das schönste Frauenporträt seiner
Hand. Die Farben sind rot, karmoisin und weiss, das Antlitz
von rötlichem Haar umrahmt, sehr blass, daneben in tiefen
Farben der Landausschnitt im Fensterrahmen.
21. Allori: Judith. Alloris Judith ist eines der wenigen Florentiner
Bilder aus der nachklassischen Zeit, das beachtet wird
und bekannt ist. Die meisten zieht wohl der sinnlich schöne
Kopf der Heroine an, mit dem nachtschwarzen Lockenhaar
und dem verschleierten Blick. Für den alten Buf der Bilder
spricht wie manche Kopie, so der Boman, der seit Jahrhunderten
herausgelesen wird: in dem Haupt des Opfers habe der
Maler sich selbst dargestellt, Judith sei der Gegenstand seiner
Liebe und die Dienerin das Porträt der Mutter seines schönen
Modells. Etwas schwülleidenschaftliches ist in dem Bild; daher
mag die Anekdote um so eher Glauben gefunden haben. Die
Malerei ist kühl, porzellanartig-glatt, die Farbengebung, in der
scharfes Gelb — das Gewand Judiths — hervorspringt, entbehrt
der Harmonie.
22. Rembrandt: Der Schiffsbaumeister. Bembrandts jugendliche
Gestaltungslust fand in Porträtaufgaben, die ihm schon in den
30er Jahren des 17. Jahrhunderts zu Amsterdam in grosser
Zahl zukamen, keine volle Befriedigung. Seine Versuche, den
Bildnissen dramatisches Leben mitzuteilen, führten nicht immer
zu Ergebnissen, die uns ganz befriedigen. Einem solchen Versuch
verdanken wir die „Nachtwache", die als Gildenstück fast
unverständlich ist. Von den grossen Doppelbiklnissen des
Meisters, den Porträts von Ehepaaren, ist das hier abgebildete,
von 1633 datierte, wohl das älteste. Das novellistische Motiv
bringt eine übermässig starke Bewegung, eine fast peinliche
Spannung in die Darstellung. Da die Bedeutung des also hastig
gebrachten Briefes uns verborgen bleibt, ist die lebhafte
Aktion für uns inhaltslos und befremdend. Davon abgesehen,
gehört das Gemälde zu den vortrefflichsten seiner Art und
seiner Periode, besitzt eine prachvoll feste Modellierung und
die schönste Klarheit des Helldunkels. Die Entwicklung in
der Kunst Bembrandts wird offenbar bei einer Vergleichung
dieser Komposition mit dem Berliner ,.Anslo" von 1641.
23. 24. Francesco di Simone: Grabmal Tartagni. Ohne das
Prunkgrab, das seine Söhne ihm errichteten, und ohne die
Medaille, die Sperandio von ihm machte, wüssten wir heute
kaum etwas von Alessandro Tartagni, dem Bechtsgelehrten, der
1424 zu Imola geboren, in Padua, Ferrara und zuletzt bis zu
seinem Tode 1477 in Bologna Jus lehrte. Die kunstgeschichtliche
Bedeutung des Monumentes besteht darin, dass es das
Muster des florentinischen Nischengrabes nach Bologna übertrug
und dort mit dem bisher üblichen Schema des Professorengrabes
aufräumen half. Im Aufbau schliesst sich Francesco
mit fast ängstlicher Genauigkeit an Desiderios Mazuppinigrab
in S. Croce zu Florenz an (Band I, Taf. 103/4); gewisse Partien
der dekorativen Ausschmückung, z. B. die untere Sockelstufe
und der Sarkophag sind dort und hier identisch. Auch
die liegende Porträtstatue ist in Lage und Faltengebung sehr
dem Staatssekretär des Desiderio angeähnelt. Während aber
im übrigen von dem figürlichen Schmuck, den Desiderio anwandte
, abgesehen ist, hat Francesco, die Marmortäfelung der
Bückwand mit den Statuetten des Glaubens, der Liebe und der
Hoffnung ausgefüllt. Diese sitzenden Figuren in dem Beich-
tum ihrer brüchigen Falten zeigen ihn mit der Schule des
Verrocchio in engstem Zusammenhang. Wird erst einmal die
Herkunft dieses Meisters aus dem Atelier des Desiderio wissenschaftlich
begründet sein, so wird die künstlerische Entwicklung
des Francesco di Simone, die über Desiderio zu Verrocchio
führt, als eine ganz natürliche, der Notwendigkeit der Verhältnisse
ungezwungen folgende erscheinen.
25. Velazquez: Reiterbildnis Philipps IV. Das erste Beiter-
bildnis Philipps, das Velazquez schon 1623 gemalt hatte, war,
wie es scheint, der Baub einer Feuersbrunst geworden. Anlass
zu dem zweiten Beiterbildnis gab das Beiterstandbild des Königs,
das 1634 bei dem Florentiner Bildhauer Pietro Tacca bestellt
wurde. Tacca verlangte ein von Velazquez gemaltes Vorbild;
und Velazquez schickte ein solches in kleinem Massstabe nach
Florenz, das, wie es scheint, in dem dortigen kleinen Bilde des
Balazzo Pitti erhalten ist. Lebensgross wiederholte er es dann
für seinen königlichen Herrn in Madrid; und dieses grossartige
Bild, das Velazquez im Vollbesitze der kraftvollen Malweise
seiner mittleren Zeit zeigt, ist das im Prado-Museum erhaltene.
Man legte damals Gewicht darauf, die Pferde unter ihren
Beitern in einer der selteneren Gangart der hohen Schule zu
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