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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_museum_08/0018
Reproduktion mit Genehmigung von Ernst Seeg-er, Berlin.

Wilhelm Leibi, Bildnis.

München, Privatbesitz.

ohne Unterschied von Gut und Bös, Phänomen
unter Phänomenen. Die gerunzelten Gesichter und
Hände sind ebenso treu wiedergegeben, wie die
glatten und frischen; nicht ob die Hände schön sind,
ist die Frage, sondern ob sie, was sie zu fassen
haben, richtig anfassen und ob Ausdruck und Wahrheit
in ihnen ist. Nur das in sich Zusammenstimmende
ist das Wahre, und das Wahre ist immer
ehrwürdig.

So kommt es, dass, wenn Leibi ein Stillleben
malt oder ein Gewandstück und weiter nichts, nie
der Eindruck der einer Nachbildung und eines leblosen
Abklatsches ist, sondern dass, auch wenn keine
Person das Gewand trägt, Leben und Geist von dem
„toten" Stück ausgeht. Begreiflich aber, wenn diese
Kunst das ruhende Objekt und das vegetative
Dasein bevorzugt. Die Bewegung bringt Absicht,

und Absicht als bewusster
Gedanke kreuzt und trübt
die Durchsichtigkeit der
ruhenden Form. Handlung
mit ihren Zweckgedanken
lenkt von der sinnlichen
Erscheinung auf ein Geistiges
ab und stört die Ruhe
der Beobachtung. Es ist
Leibi nicht so frei und
wohl zu Mut, wo etwas wie
Komposition und Handlung
sich meldet. Das
Bild „Die Dorfpolitiker",
auf zwei Bänke fünf Bauern
verteilt, wovon einer die
Zeitung vorliest, lässt eine
Spur von Zwang erkennen.
Ein inneres Zusammengehören
ist nicht da; sie
sind mehr nebeneinander
als zusammen. Die ungesprächige
Bauernnatur,
die Jägereinsamkeit, die
Leibi bevorzugt, kommen
seiner Art entgegen; es
sind einspännige Wesen,
die nicht reden, sondern
bloss sind. Ein Schweigen
herrscht auf diesen Bildern,
jenes ernste Schweigen der
grossen Natur.

Das Publikum findet
sich von dieser herben,
entschlossenen, jede billige
Vertraulichkeit verschmähenden
Kunst nicht sonderlich angezogen.
Menschen wollen Menschen zur Unterhaltung, zum
Reden, zur Belustigung. Aber Leibis Gestalten haben
eine einsame Feierlichkeit; nicht als trügen seine
Bauern irgend welche Airs zur Schau; aber sie sind
Geschöpfe der grossen Mutter Erde, des Feldes,
der Sonne und des Windes, aus demselben elementaren
Stoff, und nicht von unserer Art. Die anderen
Bauernmaler und die Dorfgeschichtenerzähler
betrachten ihren Gegenstand als Kuriosität und
Abwechslung einer Sommerfrische; sie spielen mit
ihm. Leibi ist die Natur zu mächtig entgegengetreten
; sie schafft nicht zum Zeitvertreib; darum,
will man als Künstler schaffen wie sie und mit
ihrem Atem, so muss man frei sein von geistreicher
Ueberheblichkeit und mit ruhiger Geduld
ihren Spuren folgen. Carl Neumann.

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