http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_museum_08/0029
6at
unmittelbaren Nachbildung der Natur
, im Bildnis, so frei und charaktervoll
arbeitet, ist in seiner Komposition
befangen und oft selbst
maniriert. Das zeigen auch seine
zahlreichen Madonnenreliefs, in denen
er sich namentlich an Desiderio
anschliesst, oft lieblich und graziös,
aber niemals ganz frei oder eigenartig
. Der Lucchese Matteo Civi-
tale ist in seinen wenigen Madonnen,
Reliefs und Statuen, nüchtern und
ohne Reiz. Die übrigen, wie Francesco
di Simone, der ihm verwandte
sogenannte Meister der Marmormadonnen
, von dem Dutzende von
Madonnenreliefs neben einigen kleinen
Büsten erhalten sind, Matteo
Rosselli u. a. sind stets befangen
und abhängig, am meisten von
Antonio Rossellino.
Der Künstler, auf den die meisten
plastischen Madonnendarstellungen
der letzten Jahrzehnte des
Quattrocento zurückweisen, Andrea
della Robbia, hat die Traditionen
seines Onkels Luca, dessen Schüler
und langjähriger Mitarbeiter er war,
bis in das Cinquecento hinein hochgehalten
. Die Beliebtheit, deren
sich Lucas Madonnenreliefs erfreuten
, übertrug sich auch auf Andreas Arbeiten, als
dieser nach Lucas Tode die Werkstatt übernahm,
die noch über seinen Tod im Jahre 1525 hinaus von
seinen Söhnen fortgesetzt wurde. In schlichten Einzeldarstellungen
wie in reicheren Altären und Lunetten,
in denen die Madonna von Engeln und Heiligen
umgeben ist, hat Andrea die heilige Mutter mit dem
Kind in zahlreichen Bildwerken verherrlicht. Von
Stucknachbildungen ganz abgesehen, die von ihm
seltener vorkommen, lassen sich noch heute mehr als
hundert solcher glasierter Thonreliefs in mittlerer
Grösse und von grossem Umfange nachweisen; zur
Zeit des Künstlers ist die Zahl zweifellos noch viel
grösser gewesen.
Andrea war eine wenig eigenartige, weiche Natur,
die sich seinem Lehrer aufs engste anzuschliessen
suchte, dessen Mitarbeiter er fast durch ein Menschenalter
gewesen war. Er ist daher Luca ganz besonders
in seinen Madonnenreliefs so verwandt,
dass er noch jetzt selbst von Spezialforschern vielfach
mit ihm verwechselt wird. Die hauptsächlichen
Unterschiede der beiden Meister in ihren Madonnen
habe ich an einer anderen Stelle in folgender Weise
herauszuheben gesucht: Maria hat bei Luca die
V3
Agostino di Duccio, Madonna mit Engeln.
Marmorrelief im Museo dell' Opera zu Florenz.
ebenmässige Schönheit und Grazie seiner Gestalten
in besonders hohem Masse. Regelmässig von einer
individuellen Frauen- oder Jungfrauengestalt ausgehend
, weiss Luca ihr doch einen bestimmten,
hoheitsvollen Typus zu geben; daher wird auch das
Verhältnis zum Kind, so zärtlich, so allgemein
menschlich und mannigfach es ist, doch nie zum
reinen Genremotiv. Die Kopfform ist ein volles
Oval, die Züge sind von regelmässiger Schönheit,
voll Anmut und Innigkeit des Ausdrucks; die Haare
sind leicht wellig und aus dem Gesicht gestrichen,
nicht selten mit einem Stirnband befestigt. Besonders
schön sind die Hände mit den schlanken
Fingern. Die Falten von Kleid und Mantel, der
meist über den Kopf gezogen ist, sind gross und
einfach, aber stets von der Bewegung bedingt. Das
Christkind, ein schönes Kind im zweiten Jahre, ist
von feinen Proportionen, kräftig, aber nicht zu voll
und ohne Ueberladung mit Detail, von grossem
Liebreiz und kindlicher Innigkeit im Ausdruck, in
grösseren Kompositionen regelmässig segnend zur
Gemeinde gewandt, in den kleineren Madonnenreliefs
in mannigfachster Weise sich zärtlich zur Mutter
wendend oder sich an sie anschmiegend. Andreas
19 -
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_museum_08/0029