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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_museum_08/0031
Vittore Pisano

Vittore Pisano.

Fresko (Ausschnitt).

VITTORE PISANO
nimmt unter den
Künstlern des Quattrocento
eine eigenartige Stellung
ein. Sein Leben ist
ein Wandern; er beginnt
im Norden der Halbinsel
seine Arbeit, wird dann
auf jedem Fürstenschloss
begehrt, bis er schliesslich
im Neapler Süden anlangt
. Seine Geschichte
ist mit derjenigen der Fürsten
seiner Zeit so eng
verknüpft, dass seine Biographie
unwillkürlich zu

einer Dynastenchronik auswächst. Mit jungen Jahren
schon als Maler hochgefeiert, bieten ihm die
Adriastadt und der Papst die vornehmsten Aufträge
an, die sie zu vergeben haben. Diese Thätigkeit in
Venedig und Rom ist aber nur der bescheidene Anfang
seiner von heller Fürstengunst umstrahlten
Künstlerfahrt. In Ferrara, Mantua, Pavia, Rimini
und Neapel darf er als familiaris neben den Grossen
an der Tafel sitzen. Der Glanz des orientalischen
Goncils in Ferrara, das stark bewegte und feingestimmte
Hofleben in der königlichen Parthenopeia
haben seine Augen mit vollen Lichtern gesättigt.
Nur an einer Stadt ist er zeitlebens vorbeigegangen,
wohin kein Fürst ihn rief, wo er Mächtigere zu
scheuen hatte — Florenz. Wir sind gewohnt, das
Werden der Quattrocentokunst mit dem Wachstum
des künstlerischen Bewusstseins in Florenz zu lden-
tificieren. Das ist ein Unrecht, in das wir, von Vasari
verführt, immer wieder hereingeraten. Wir dürfen
über Masaccio und Donatello Vittore Pisano nicht
vergessen.

Vittore ist nicht, wie sein Name glauben machen
könnte, Toskaner. Möglich, dass sein Vater, wie
Balduccio, aus Pisa nach Oberitalien gewandert
ist und daher der Sohn auch noch das geographische
Patronymikum übernahm. Vittore stammt
aus der Stadt oder doch jedenfalls aus der Provinz
Verona. Zwar ist der cartellino auf dem einst beim
Gonte del Pozzo, heute in Berlin befindlichen
Madonnenbilde, wie Hugo von Tschudi nachgewiesen,
gefälscht, nach welchem Vittore aus San Vi(gilio) am
Gardasee stammen soll; aber sein Inhalt mag eine
berechtigte Tradition aussprechen. Jedenfalls redet

Der hl. Michael.

Verona, San Fermo.

der Veroneser Guarino^ in
seinem Hymnus auf Vittore
diesen als Landsmann
an. In Verona finden wir
ihn auch am frühesten
als Maler thätig; er hilft
das Grabmal des 1420 gestorbenen
Brenzoni in San
Fermo schmücken, wo er
in die Zwickel die Verkündigung
und darunter die
beiden Gestalten der Heiligen
Michael und Georg
malt. Schon hier sehen wir
ihn im sicheren Besitz jener
neuen Formensprache, die,
vom gotischen Kanon sich — wenn auch zögernd —
lösend, die körperliche Klarheit und Wahrhaftigkeit
der Erscheinung innerhalb eines perspektivisch
eroberten und genrehaft ausgestatteten Raumes
darstellt. In dem hl. Michael, der neben Georg
der Lieblingsheilige jener oberitalienischen Gewaltherrscher
war, da in diesen Gestalten Rittertum und
Frömmigkeit sich verbanden, dürfen wir wohl einen
der edlen Fürstensöhne (etwa der Scaliger), porträtiert
sehen, mit denen der junge Künstler schon damals
verkehren durfte. Die hohe Gestalt, deren schlanker
Wuchs von dem Kettenpanzer nicht versteckt wird,
das edle von reicher Lockenfülle umwallte jugendliche
Antlitz machen die Annahme dieser versteckten
Huldigung sehr wahrscheinlich.

Kurz darauf, spätestens 1424, wird Vittore
nach Venedig berufen, um neben dem ebenfalls aus
der Ferne herbeigeholten Gentile da Fabriano den
grossen Ratssaal des Dogenpalastes zu schmücken.
Nachdem Guariento (der ebenfalls kein Venezianer,
sondern Paduaner wrar) schon 1365 die Stirnwand des
Saales mit einer Krönung der Jungfrau geschmückt
hatte, durfte man für die Längswände einen weltlichen
, und zwar lokal historischen Stoff wünschen.
Es gab keine Geschichte der Vergangenheit, die mit
mehr Ruhmestiteln für die Stadt und ihren Dogen
verbunden war als die Begegnung des Kaisers
Barbarossa mit Papst Alexander III. vor dem Portal
von San Marco, wo die weltberühmte Gegenrede:
non tibi sed Petro — et mihi et Petro gewechselt
wurde. Vittore erhielt den Auftrag, die Friedensvermittlung
des von den Venezianern gefangenen
Sohnes Barbarossas, Otto, darzustellen, der zu dem

vi. c

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