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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_museum_08/0033
abendländischen Kirche — darunter kein Geringerer
als Johann VII Palaeologos selbst —, die über der
gemeinsamen Türkengefahr das Trennende früherer
Jahrhunderte vergessen hatten. Die Blätter in Vittores
Skizzenbuch bekunden es, wie fleissig er damals die
fremdländischen Boten, den Kaiser, die Tartaren-
und Griechenphysiognomien gezeichnet hat.

Vielleicht ist in diese frühe ferraresische Zeit auch
jenes bezauberndeMädchenporträt zu setzen, das heute
im salon carre des Louvre mit Recht einen Ehrenplatz
einnimmt (Mus. IV. Tf. 105). Die französischen
Forscher glauben in der Dargestellten die schon 1439
nach vierjähriger Ehe verstorbene Gattin Lionellos,
Margherita Gonzaga zu erkennen; jedenfalls deutet
die Vase mit den Zweigen auf dem linken Aermel
auf die estensische Dynastie. Der Kopf ist streng ins
Profil gestellt, um den Rhythmus der Abstufung des
Gesichts zu der geschwungenen Kurve des Nackens
gegensätzlich zu betonen. Das hochgebundene, stramm
aus der Stirn gestrichene Haar soll die Kopfform
möglichst wenig verdecken; die blanken
Partien des Gesichts werden sogar nicht einmal
durch die — wegrasierten — Augenbrauen unterbrochen
. Der Blütenhintergrund mit den gaukelnden
Schmetterlingen soll vielleicht den lieblichen Jugendtraum
froher Hoffnungen symbolisieren, der die Jungvermählte
beim Eintritt in die neue Sphäre umfing
— er sollte nur zu bald ausgeträumt sein.

Auch das Porträt von Margheritas Gatten,
Lionello, in gleicher Anordnung, mit dem gleichen
Hintergrund, ist in der Morellischen Sammlung in
Bergamo erhalten (Taf. 41). Der Besteller scheint
dies Bild nicht so hoch eingeschätzt zu haben wie
wir heute. Vasari wenigstens meldet folgende
Anekdote. Als Vittore schon sechs Monate an
diesem Bild arbeitete, sei Maestro Jacopo Bellini
aus Venedig gekommen und habe ein besseres
Bild zu malen versprochen. Thatsächlich räumte
Vittore am 16. August das Feld und Jacopo blieb
Sieger. So seltsam uns diese Geschichte anmutet,
da bei uns Vittore als Porträtist einen Ehrenplatz
einnimmt, Jacopo Bellini dagegen sich in allem andern,
aber nie im Porträt ausgezeichnet hat, so löst sich
das Rätsel, wenn wir das im Louvre hängende, dort
Gentile da Fabriano genannte Madonnenbild (N. 171)
für die hier in Frage kommende Arbeit des Vene-
tianers ansprechen. Der hier dargestellte Stifter ist
nämlich nicht Sigismondo Malatesta, wie der Katalog
meint, sondern Lionello. Nun begreifen wir, dass
die in höchster Feinheit ausgeführte, in reiche hell
beleuchtete Landschaft gesetzte Madonna mit dem
Stifter das Auge des Bestellers mehr bestach als die
monumentalere, aber schlichtere Arbeit Vittores.

Immerhin scheint Vittore den Groll bald verwunden
zu haben. Als Lionello 1444 zu einer neuen

Ehe mit Maria von Aragon, der natürlichen Tochter
Alphons V. von Neapel, schreitet, und eine rauschende
viertägige Hochzeit mit Turnier und Jagd alle Ferra-
resen auf die Beine bringt, kann Vittore nicht im
Schmollwinkel bleiben; eine Medaille feiert den
gener regis aragonensis und zeigt auf dem Revers
Amor, der den Löwen (Lionello) Liebeslieder
singen lehrt. Im folgenden Jahr malt Vittore
für Lionellos Lustschloss Bellosguardo (das Bellri-
guardo Tassos) ein Altarbild, zu dem wir wohl im
Codex Valardi Blatt 165 die Zeichnung besitzen.
Danach thronte die Madonna zwischen vier Heiligen,
von denen sich drei, Georg, Antonius Abbas und
Catarina noch bezeichnen lassen. Nun hängt in
der National Gallery ein Bild Vittores, die Heiligen
Antonius und Georg im Walde, auf dem Georg
die Züge Lionellos trägt; auch der alte Rahmen
trägt das Brustbild Lionellos. Es scheint nicht zu
kühn, anzunehmen, dass wir in dem Londoner Bild
eine teilweise Wiederholung des Madonnenbildes von
Bellosguardo vor uns haben, aus dem Vittore die
Lionello besonders befriedigenden Gestalten noch
einmal für das studio in Ferrara gemalt hat.

Auch die mit den Este vielfach verschwägerten
Gonzagas warben um Vittores Kunst. Paola Malatesta
, die Frau Giovanni Francesco Gonzagas,
hatte ihn sich schon 1439 vergeblich ausgebeten. Zwei
Jahre später finden wir ihn aber beim Fresko und an
der Staffelei in Mantua. Im Speisesaal malt er
wieder seine geliebten Jagdscenen, wozu er monatlich
zwei Pfund Wachs und zwei Liter gutes Oel erhält.
Hier sollte er auch den erlauchtesten Humanisten
seiner Zeit kennen lernen, Vittorino Ramboldoni da
Feltre, der seit 1425 hier eine vornehme Schule gegründet
hatte, in welcher Philologie, Theologie,
Dialektik, Philosophie und Ethik gelehrt wurde. Zu
seinen Schülern zählten der schon genannte Guarino
und der grosse Federigo von Urbino. Ein schönes
Denkmal bewundernder Ehrfurcht hat ihm Vittore in
der Medaille geschaffen, die Vittorinos Porträt und auf
dem Revers den blutenden Pelikan zeigt. Auch die
Kinder der Fürstin Paola schätzten Vittore. Er
hat sowohl Ludovico, der 1444 seinem Vater in der
Herrschaft folgte, in der Medaille porträtiert, wie jene
liebliche Cecilia, die nicht in die Ehe mit dem unge-
geliebten Oddo di Montefeltre willigen wollte und
darum blutjung den Schleier nahm. Ihre Medaille
zeigt das Symbol der Jungfräulichkeit, das Einhorn;
sie wurde schon 1451 weggerafft und ist später
selig gesprochen worden.

In die Zeit um 1440 mag auch ein erneuerter
Aufenthalt in der Heimat Verona fallen; leider
kennen wir den Auftraggber nicht, der Vittore
damals zu sich rief. Sicher handelte es sich um
eine vornehme Hochzeit, für die seine Kunst gebraucht

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