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gelegentlich weit hinter seinem Können zurück.
Bei Reynolds ist die Energie stets in der Mitwirkung
: wenn er ein Porträt begann, erzählt
sein Schüler Northcote von ihm, so war er stets
von dem Bewusstsein erfüllt, es sollte sein bestes
Bild werden. Gainsborough aber, wenn ein Modell
ihm grosse Schwierigkeiten bereitet, gerät in nervöse
Aufregung. Die Zahl seiner Werke mag sich auf
nicht erheblich mehr als tausend belaufen.
In seinen Mussestunden malt Reynolds Allegorisches
und Mythologisches und versucht sich auch
an grossen historischen Stoffen (Ugolino mit seinen
Söhnen und dergleichen). Erfüllt von der Ueber-
zeugung, dass sie allein der Malerei höchste Aufgaben
sind, muss er das Bewusstsein gehabt haben, wie
weit er hinter den Vorbildern, denen er nachstrebte,
zurückstand: vielleicht das einzige tragische Moment
in diesem glanzvollen Leben. Nichts dergleichen
findet man bei Gainsborough; aber man kennt von
ihm etwa zweihundert Landschaften, und ausserdem
hat er eine kleine Zahl von Bildern aus dem Volksleben
nach der Natur gemalt, Kinder, die er auf
der Strasse auflas (deren er sogar in sein Haus aufnahm
) und Verwandtes.
Auch in ihren Neigungen bezüglich alter Kunst
gingen sie auseinander, daher sie denn durch diese
in ganz anderer Weise beeinflusst worden sind.
Reynolds, ein vielgereister Mann, der als Jüngling
mehrere Jahre in Rom verbracht und ganz Italien
kennen gelernt hatte, wozu später Reisen in Holland
und Belgien kamen, war ein vorzüglicher Kenner
der alten Meister. Am höchsten stellte er Michelangelo
, dessen Malereien in der Sixtina er „das Werk
des grössten Genies, das sich je künstlerisch bethätigt
hat", nannte. Zum Verständnis Rafaels hatte er sich
langsam durchgerungen. Ein besonderes Studium
widmete er den grossen Koloristen: Tizian, Correggio
und Rembrandt, von dem er selbst mehrere ausgezeichnete
Bilder sein Eigen nannte (so die „Susanna
und die „Vision Daniels" in Berlin), und den er
meisterhaft kopiert hat. Von all' dem hat Gainsborough
, der nie aus England herausgekommen war,
wenig gewusst; der Mann seines Geschmacks war
van Dyck, dessen Bilder zu sehen er in den Häusern
des Adels die Gelegenheit hatte. Van Dyck hat auf
die Geschmacksbildung des Künstlers, auf die Anlage
seiner Porträts entscheidend eingewirkt; die
letzten Worte, die der Sterbende an Reynolds
richtete, legen lebendiges Zeugnis ab von seinen Empfindungen
: „Wir werden in den Himmel kommen
und van Dyck erwartet uns".
Stellt man sich auf der einen Seite die Farbenskala
eines Tizian (in seiner Spätzeit) und eines
Rembrandt, auf der anderen Seite van Dycks geschmackvolle
, blendende Malweise vor, so hat man
im Grunde auch die Paletten des einen und des
anderen. Gainsborough hatte stets eine Vorliebe
für die sogenannten kalten Farben. Blau bevorzugte
er am meisten, daneben grau und grün. Reynolds
aber wollte sie von den Lichtmassen ausgeschlossen
wissen; nach dem Vorgang der Venezianer sollten
diese einen gelben, roten oder gelblich-weissen Ton
haben. Es sieht wie eine geistvolle Widerlegung
dieser von Reynolds in seiner achten akademischen
Rede aufgestellten Theorie aus, dass Gainsborough
wahrscheinlich im folgenden Jahre (1779) den „blue
boy" malte, jenes anmutreiche Bild eines entzückenden
Burschen im Van Dyck Kostüm, wo die Hauptmasse
des Lichtes in blauer Farbe gegeben ist.
Für Reynolds hat das Studium der grossen
Koloristen in Venedig und Holland noch eine andere,
schlimme Bedeutung gehabt. Indem er hinter die
Geheimnisse ihres Kolorits zu kommen suchte, hat
er immer wieder experimentiert und solche Farben
und Bindemittel verwendet, die die Erhaltung von
Bildern gefährden. Sehr bald verloren daher seine
Gemälde von ihrem ursprünglichen Glanz und
wurden durch Risse entstellt. Reynolds hat gelegentlich
geäussert: „alle guten Bilder reissen". Das
kann man aber seinem Rivalen nicht zum Vorwurf
machen: „man findet ebenso selten ein Bild von
Gainsborough beschädigt oder gerissen, wie eines
von Sir Joshua mit unverminderter Leuchtkraft
und Oberfläche", sagen selbst die Biographen von
Reynolds.
Es ist für diesen als glücklicher Umstand zu
preisen, dass seine Kräfte fast ausschliesslich durch
Bildnisse verbraucht wurden. Hierwar er gezwungen,
sich eng an die Natur anzuschliessen. „Man dürfe
sich nicht entschuldigen", sagte er, „wenn ein Porträt
nicht gelingt, dass der Gegenstand für ein Bild
nicht geeignet gewesen sei: es war doch stets
Natur, die, richtig behandelt, immer dafür ausreicht."
Und wenn er auch hier für unseren Geschmack
Missgriffe begeht, indem er seine schönen Modelle
unter allerlei allegorischen oder mythologischen
Verkleidungen zeigt, wenn er Mrs. Siddons als
tragische Muse malt (Mus. IV Tf. 51), oder wenn
die drei Schwestern Montgomery (National Gallery)
eine Büste Amors mit Blumenketten umkränzen,
so tragen daran wohl die Wünsche der Besteller die
Schuld. Ganz gross, ganz frei zeigt sich Reynolds,
wenn er solche Fesseln abstreift. Seine intuitive
Kraft ist gewaltig; daher erscheint dem Nachlebenden
was er darstellt, so einfach und wahrscheinlich
. Wie der geniale Arzt diagnostiziert, so
erkennt Reynolds im Augenblick das Wesentliche
der Art eines Menschen, nicht nur in den Zügen,
sondern auch in Gesten und Haltung. Daher die
erstaunliche Mannigfaltigkeit in der Anlage seiner
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