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Die Romantik, die der unbestimmten Ahnung einer
nicht ganz erfassten Grösse entspringt, — das ist
Claude.
Was diese Kunst rettet ist aber, dass sie doch
das Wesen ihres Schöpfers so klar zu Tage treten
lässt, dass er sich selbst, unbewusst wohl, aber voll
zum Ausdruck gebracht hat, dass er sein Ideal, es
sei wie es sei, darin so ganz und gar verkörpert.
Sein Leben ist ein von der Anstrengung der Wirklichkeit
abgesondertes Dahinträumen. Seine Kunst ist
ein Hypostasieren idealer Wünsche, ist das Hohe
Lied einer unwirklichen
Herrlichkeit.
So haben wir auch hier
die enge Verschmelzung
der gestaltenden Künstlerseele
mit der gestalteten
Natur, die überhaupt der
Nerv aller Kunst ist. Wegen
dieser Empfindung ist
es, dass wir uns der Wirkung
von Claudes Landschaften
nicht entziehen
können, dass sie uns ge-
wissermassen trotz unsrer
selbst, trotz ihrer Schwächen
reizen.
Damit sind wir aber
betreffs Claude Gelees noch
nicht fertig: die eigentliche
Schwierigkeit kommt erst.
Er hat auch radiert. Seine
graphischen Arbeiten sind
aber nicht nur, wie auch
bei Dürer, van Dyck, Ruis-
dael besser als die Gemälde
, sie sind einfach unverständlich
gut!
Als Maler ist er in
allem, was er bewusst hin-
zuthut, schlecht. Er geht von der Erscheinung aus
und zwar von einer effektvoll wenn nicht gar unnatürlich
zugespitzten, die er, unbekümmert um seine
Mittel, zu faksimilieren sucht. Der Gedanke, selbstständig
zu vereinfachen, das Material zu zwingen,
kommt ihm nie: er will kopieren. Wenn er versucht
, den Vorwurf von sich selbst aus zu gestalten,
so spüren wir nur geistige Schwäche, die unreife
Vorliebe des Ungebildeten für das Fremde, für das
Ungewöhnliche. Bleibt sein Werk Kunst, so ist dies
meist trotz seiner selbst, vermöge der gütigen Gabe
des Geschickes, die es ihm verliehen hat, einige wenige
einfache menschlichen Regungen stark zu empfinden,
Regungen, die verhältnismässig leicht malerisch
auszudrücken sind.
In seinen Radierungen erscheint er uns in allen
Punkten als das genaue Gegenteil. Er steht als
bewusst schaffender Künstler über seinem Werk;
er lässt sich nicht von der Erscheinung, dem vor-
gefassten Ziel, gefangen nehmen und strebt blindlings
es zu erreichen, er geht von der Handhabung seines
Werkzeugs aus und entwickelt streng einen klaren
Stil. Erklären kann ich diesen Zwiespalt in seinem
künstlerischen Schaffen nicht, nur ausführen und an
der Hand seiner Werke belegen.
Jede Kunstübung lässt sich unter verständiger
Berücksichtigung der Möglichkeiten
, die sie bietet,
entwickeln, leider auch unverständig
handhaben. Verfährt
man aber in ruhiger
Folgerichtigkeit, nutzt die
sich bietenden Gelegenheiten
aus, vermeidet jeden
Zwang und willkürliches
Eingreifen, so erreicht man
zum Schluss etwas, was
man auf keinem anderen
Weg erreichen kann: man
hat den Stil für diese
Kunstübung gefunden. Vielen
Künstlern geht das
Gefühl für reinen Stil ab.
Sie sehen irgend etwas,
was ihnen gefällt, und
setzen sich nun hin, es zu
malen, oder zeichnen, oder
radieren, gerade wie es
ihnen die Laune eingiebt.
Die erste grosse Frage
sollte aber sein, ist das, was
soeben gefiel, am besten
künstlerisch in einem Oel-
gemälde, in einer Zeichnung
, in einer Radierung
zu verwerten. Stil ist die ideale Verwirklichung
der jeweiligen Mittel.
Für die Kunstübung der Radierung besteht er
im „Decken", wodurch eine Luftperspektive gewonnen
wird, wie man sie nie und nimmer auf
andre Weise erreichen kann, und in der Verwertung
der freien selbständigen Linie. In beiden Richtungen
hat Claude so herrliches geschaffen, dass es
selten erreicht, nie übertroffen worden ist. Vor ihm
gab es wenig Wesentliches auf dem Gebiet, und
ohne weiteres gelingen einem solche Leistungen
auch nicht. So stehen wir vor dem Rätsel, dass
derselbe Künstler, der als Maler so ziemlich in den
Tag hinein träumte, als Radierer mit reifer künstlerischer
Ueberlegung und planvollem Wollen sein
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