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Bartholomes Denkmal für die Toten.
FÜR Leben und Kunst giebt es keine strengere
Prüfung als das Grab. Nur das Ernste und
Echte hält vor ihm Stich. Selbst das gute Entlehnte
weist die Empfindung hier ab.
Wie rührend erscheint uns die stille Schönheit
griechischer Grabsteine. (Eine Auswahl im Mus. V
Taf. 117, 125, 126, 143, 149.) Und doch: möchte
jemand wohl die Hegeso mit ihrem Schmuckkästchen,
den schönen Jägerjüngling mit dem alten Vater vom
Iiisos, ja auch nur die edle Totenklage des Marmorsarges
von Sidon einem der Seinen aufs Grab
setzen? So anmutig sind uns Leben und Sterben
nicht; nicht so gehalten die Klage am Grabe. Vollends
fremd bleiben uns die bildlichen Tröstungen
der hellenischen Sage.
Oder wünschte man lieber das Bildnis des Verstorbenen
in römisch schlichter Tüchtigkeit auf dem
Grabe zu sehen? Ich meine, dass diese Ehre in der
halben Oeffentlichkeit des Friedhofs höchstens dem
gebührt, der sich in weitester Wirksamkeit ausgezeichnet
. Von den Uebrigen sollte der Grabstein
nur sagen, dass sie Menschen gewesen; wie die
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Spartaner nur dem die Ehre der Grabschrift zuerkannten
, der in der Schlacht gefallen, oder der
Frau, die als Priesterin gestorben. Auf einem Grabstein
, den ich eines Tages auf einem winterlichen
Ritt von Olympia durch Lakonien am Wege auffand
und nach Sparta brachte, standen, wie üblich, nur
die Worte: „Eudamidas, im Kriege". Welch ein
Denkmal spartanischer Schlichtheit! Es ist dieselbe
Gesinnung, in der wohl mancher sich die Erwähnung
etwaiger Verdienste an seinem Grabe im Voraus
verbittet und über dem Toten nur die durch alt-
ehrwürdigen Gebrauch geheiligten Worte gesprochen
haben will.
Genügt unsrer Zeit die Formensprache des
christlichen Mittelalters? Etwa der im Tode ausgestreckte
Leichnam des Verstorbenen mit den tröstenden
Gestalten des christlichen Glaubens über
ihm? Die Phantasie der meisten von uns wird dazu
nicht stark genug gebunden sein durch die heiligen
Gleichnisse und Sonderformen des Kirchenglaubens,
wie es die Einbildungskraft des Menschen im Mittelalter
war. Oder will man gar den wiedererweck-
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