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befriedigte die allgemeinen Andachtsbedürfnisse der
Gläubigen. Ein Zwang zum Unbestrittenen, gleich-
mässig Giltigen, zum Hergebrachten lag darin für
den gestaltenden Künstler. Das Malwerk war konservativ
, schwerfällig, wenigstens so lange und insoweit
es der Allgemeinheit diente, dahingegen der
Kupferstich und Holzschnitt neuerungssüchtig, revolutionär
, als leichte Erzeugnisse des Tages den
Hanna, einen Sohn erbittend. I. Reg. I.
Launen der Zeit beweglich nachgingen, und sich in
den Darstellungsmotiven und in der Auffassung
vielfach gabelten und verzweigten.
Das Erzeugnis der druckenden Kunst konnte hier
Beifall finden, wenn es dort zurückgewiesen worden
war. Die verschiedenen Stände, Lebensalter wurden
schöpferisch mit ihren besonderen Wünschen; der
Gelehrte, der Mönch, der Sektierer, der Kaufmann,
der Bauer, der Landsknecht, jeder wählte nach seiner
Neigung auf derMesse. Die krause Mannigfaltigkeit der
Anforderungen gab der Gestaltungslust den stärksten
Antrieb und die freieste Bahn. Allerdings stieg der
deutsche Zeichner herab, indem er der plumpen
Neugierde, dem thörichten Wahn und dreisten Spott
dienstbar wurde, wohl überschritt er die Grenzen
des Künstlerischen und die des feineren Geschmacks,
indem er moralisierte und schimpfte. Das sind in
die Augen fallende Flecken und Schäden. Was
Wertvolles aber die deutsche Kunst aus der Tiefe
ans Licht brachte, was sie den elementaren volkstümlichen
Vorstellungen abgewann, ist unermesshch
und unmessbar.
Auf hundert verschiedenartige Fragen Antwort
erteilend, waren die deutschen Kupferstecher und
Zeichner doch nicht dem toten Echo gleich, vielmehr
vergleichsweise selbständig und in der Lage, aus
Eigenem zu sprechen, soweit nicht die Buchverleger
ihren Zwang geltend machten. Malend, ob sie nun
Kirchenbilder oder Bildnisse schufen, wurden die
Meister des 15. und 16. Jahrhunderts doch durch
die Vorschriften der Auftraggeber eng gebunden.
Was wüssten wir von Hans Holbeins Persönlichkeit,
wenn wir nur seine Gemälde und nicht auch seine
Holzschnitte besässen?
Holzschnitt und Kupferstich entbehren der Farbe.
Zwar hatte man in der Jugendzeit des Formschnitts
die Abdrücke mit der Hand, etwa mit Hilfe von
Patronen gefärbt, doch fiel die Farbigkeit als eine
unorganische Zuthat von dem aufwachsenden Holzschnitt
ab. Die merkwürdigen Versuche im 16. Jahrhundert
, farbige Blätter mit mehreren Platten zu
drucken, blieben vereinzelt. Mit diesen Versuchen
wurde übrigens eher beabsichtigt, durch Nüancierung
der Helligkeit in den Schattenflächen die plastische
Rundung zu fördern als dem Holzschnitt Lokal-
farbigkeit zu verleihen. Der Kupferstich war im
15. und 16. Jahrhundert stets schwarz.
Mit der Farbe fehlt der Kunst die Heiterkeit,
das Hauptmittel der dekorativen Wirkungen, die
Lust des Auges. Der farblosen Darstellung bleibt
etwas Unsinnliches, Gedankliches anhaften.
Unkoloristisch ist die deutsche Kunst im Grossen
und Ganzen. In Franken, derjenigen Landschaft, die
den grössten deutschen Maler geboren hat, wird der
Mangel des Farbensinnes besonders deutlich. Grünewald
ist mit seinen grandiosen Effekten eine Ausnahme
und — höchst bezeichnend — auch darin
eine Ausnahme, dass er, soviel wir wissen, weder
dem Kupferstich noch dem Holzschnitt seine geniale
Kraft zugewandt hat. Ist die Lokalfarbigkeit in
deutschen Bildtafeln auch laut genug und oft allzu
laut, so spricht sie doch den Sinn und Inhalt des
Esther vor Ahasver. Esther I. II.
Werkes nicht aus, ist etwas Hinzugekommenes,
Sekundäres. Der bunte Glanz stieg den deutschen
Malern nicht als erste Vorstellung auf, wurde nicht
zum Ausgang der künstlerischen Thätigkeit. Mit
Unrecht wird Holbein als der deutsche Kolorist
Dürer gegenüber hingestellt. Im Verhältnis zu der
vollkommenen Freiheit seiner Formanschauung ist
Holbein, bei allen handwerklichen Tugenden, bei
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