Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_museum_08/0062
in Stein arbeiteten, versuchten wohl unwillkürlich
ihre Holzschnitztechnik beizubehalten und verfielen
leicht in allzu harte Strenge. Dies ist bei Veit Stoss
der Fall. Riemenschneider jedoch wusste sich dem
Solenhofer Kalkstein anzupassen und in dem bedeutendsten
seiner Steinwerke, dem 1513 aufgestellten
Grabmal Kaiser Heinrichs II. und seiner
Gemahlin im Bamberger Dome, alle Härten fernzuhalten
. In einigen Teilen bereits zur Zeit des
Creglinger Altars entstanden, stimmt die Gewandung
des im Hochrelief gearbeiteten Kaiserpaares mit
jenem überein und steht in künstlerischer Qualität
mit ihm auf gleicher Stufe. In drei der Seitenreliefs
erfreut ferner die Gabe, wenn auch nicht
dramatisch, so doch anschaulich zu erzählen, während
die später gearbeiteten Relieftafeln einen Rückgang
nicht verleugnen können. Der wird sogar in der
Beweinung zu Heidingsfeld von 1508 noch deutlicher,
wo in der Haltung der reliefartig gehaltenen
Figuren und Köpfe trotz der feinen Beseelung
eine Eintönigkeit dennoch unangenehm berührt.

In späteren Jahren lässt des Meisters Erfindungsgabe
leider zusehends nach, ja es scheint, als
habe Tilmann infolge seines Wohlergehens die Lust
zur Kunst verloren. Aehnlich sank Cranachs Thätig-
keit in spätem Jahren zu einer blossen Bilderfabrikation
herab, und wie jener sächsische Hofmaler
in Wittenberg, ging auch Riemenschneider
lieber als Bürgermeister zu Rate, als sich um sein
Handwerk zu kümmern. Die meisten Arbeiten Hess
er fast ganz in den Händen seiner zahlreichen Gesellen
, die nach des Meisters Vorbildern in dessen
Art weiter schnitzten. Dies erklärt es denn auch,
dass wir heute auf so viele minderwertige, dem
Riemenschneider verwandte Sachen stossen, die ihm
früher thatsächlich zugewiesen waren. Ihr allgemeines
Kennzeichen ist eine zwar routinierte, aber
seelenlose Technik, hartes Nebeneinandersetzen der
Flächen und Mangel an frischer Naturbeobachtung.

Für diese späte Zeit charakteristisch ist das
Grabmal des Bischofs Lorenz von Bibra aus rötlichem
Sandstein von 1519. Schematisch sind
frühere Motive wiederholt, die beim Grabmal
Rudolfs von Scherenberg weit besser verwertet
waren, und auch die Gestalt des Verstorbenen erscheint
steifer. Trotzdem ist dies Monument, was
des Meisters Stellung zur Renaissance anbelangt,
für die Kritik von Interesse, zeigt es uns doch den
missglückten Versuch, in Renaissanceform zu arbeiten.
Zu deutlich müssen wir erkennen, dass ihm das

Verständnis für ornamental-architektonischen Aufbau
im Renaissancesinne, worin in Vischers Werkstatt
bereits in früherer Zeit so Entzückendes geleistet
wurde, gänzlich fehlte, und einerlei bleibt es uns,
ob dies auf einen Schüler zurückzuführen ist, denn
als Meister lag es ihm ob, zu verbessern, was er
besser gekonnt hätte. Desgleichen ist in seiner
immer gerühmten Madonna im Rosenkranze zu
Volkach, dessen Vorbild Veit Stoss' englischer Gruss
in Nürnberg abgegeben hat, die frühere Frische
und Beweglichkeit verblasst, und wenn wirklich
Zartheit der Empfindung in der Maria noch einmal
durchbricht, so erscheint die Gewandung desto erstarrter
und die Zeichnung der fünf Medaillons auf
dem Rosenkranze nur desto leerer. Wiederum
zeugt deren Umrahmung von recht wenig Geschmack
für Renaissanceornamentik. Tilmanns
letztes Werk, die aus Sandstein gemeisselte Beweinung
zu Maidbrunn, besitzt wohl durch den Ausdruck
der Trauer ergreifende Köpfe, aber die vielen
Figuren zu einem plastischen Ganzen zusammenzuschmelzen
, ist auch misslungen.

So scheiden wir denn von den letzten Arbeiten
mit dem Gefühle des Missbehagens, das die Färbung
des Bedauerns annimmt, wenn wir erfahren, dass
mit dem frühzeitigen Erbleichen seiner künstlerischen
Kraft das Schicksal über den Künstler so hart gewaltet
hat. Durch einen nicht recht überlegten politischen
Schritt wurde er auch von der Höhe seiner bürgerlichen
Stellung herabgestossen. Zu offen hatte er in
den reformatorischen Stürmen für die Bauern Partei
ergriffen und seine feindliche Gesinnung gegen
das geistliche Regiment kund gegeben. Wäre der
Ausgang seines Handelns günstig gewesen, würde
es als die That eines entschlossenen lutherisch gesinnten
Mannes haben gelten können; da der Lauf
der Dinge für die Bauern jedoch zu Ungunsten ausschlug
, war Riemenschneiders Ausstoss aus dem
Rate unvermeidlich geworden. Ohne grössere Aufträge
, kompromittiert und zurückgezogen, innerlich
selbst bedrückt, lebte er noch sechs Jahre, bis er
am 8. Juli 1531 dreiundsechzigjährig starb.

Seine guten Werke aber — und nach den
besten Schöpfungen haben wir über einen Künstler
zu urteilen — haben ihm einen Namen gesichert, der,
mit dem des Veit Stoss an Klang gleich, an die
Blütezeit der mittelalterlichen Schnitzkunst Frankens
erinnert. Möchten wir uns jenen altdeutschen
Meistern durch allzu eifriges Studium der Italiener
nicht entfremden! Berthold Daun,

- 52 -


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_museum_08/0062