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Antonio Vivarini, Die Anbetung der Könige.
Berlin, kgl. Gemäldegalerie. Auf Holz, h. i.ii, br. 1.76.
Die Anfänge der venezianischen Malerei.
IN den steifen und befangenen, müde und traurig
blickenden Gestalten auf den Gemälden der ältesten
venezianischen Maler die Vorfahren und Vorläufer
der lebensvollen und genussfrohen Menschen in
Tizians oder Palmas Meisterwerken zu erkennen,
wird selbst dem aufmerksamen Betrachter nicht
ganz leicht werden. Und doch wird man, die Entwicklung
der Formen in gerader Linie zurückverfolgend
, von Tizian, Giorgione und Giovanni Bellini
zu Jacopo Bellini und zu den Vivarini als den ehrwürdigen
Häuptern dieser glänzenden Künstlerreihe
geführt. Die Elemente, die den Kunstcharakter der
venezianischen Malerei, soweit er eben nicht von
der Individualität des einzelnen Künstlers abhängt,
bedingen, sehen wir schon in den Bildern des ältesten
Vivarini, in Antonios grossen Altargemälden zwar
in einseitiger und naiver Weise ausgedrückt, aber
doch deutlich und wirkungsvoll in die Erscheinung
treten.
Es sind das die Eigentümlichkeiten, die sich
aus dem Charakter des Volkes, den Natureindrücken,
die es empfing, und seinen geschichtlichen Erlebnissen
ergaben und die sich ihrer Natur nach in der
Kunst besonders stark geltend machen: jene Neigung
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zur Politik des zähen Festhaltens und Hinziehens,
zur sorgfältigen, fast listigen Beobachtung besonders
der Faktoren der Empfindung, jene Vorliebe für
Schaustellungen und äusseren Prunk, für den passiven
Genuss, wie er nicht aus der Handlung oder ihrer
Darstellung, sondern aus dem Reiz der Sinne durch
äussere Eindrücke, aus der Darstellung des Zuständ-
lichen, der schönen Form und Farbe als solcher
entspringt.
Trotz der stärksten Einflüsse von Seiten der
dramatischen toscanischen Kunst von Giovanni
Pisano und Donatello bis Michelangelo ist die venezianische
Malerei doch ihrem ursprünglichen Charakter
treu geblieben. Das starke Hervorheben des
bleibenden Charakters, des Gehaltes an rein menschlicher
Empfindung im Gegenstande und das Streben
nach der Wiedergabe der farbigen Wirkung der
Erscheinung in allen ihren Reizen sind ebenso wie
für die letzten Leistungen der venezianischen Kunst
auch für die Werke der Meister, die wir als die Begründer
des eigentlich venezianischen Stils bezeichnen
können, charakteristisch.
Freilich liegt vor diesen Anfängen der Malerei
in Venedig selber, kurz vor der Mitte des 15. Jahr-
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