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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_museum_08/0064
hunderts eine bedeutungsvolle Periode künstlerischer,
vorwiegend malerischer Thätigkeit im 14. und im
Beginne des 15. Jahrhunderts, die aber nicht von den
Stadtvenezianern, deren malerische Leistungen sich
damals noch in den ausgetretenen Geleisen des
byzantinischen Stils bewegten, ausging, sondern in
den venetischen Städten und an den Fürstenhöfen
der terra ferma, vornehmlich in Verona sich entfaltete
. Hier entwickelte sich auf der Grundlage
des Giottesken Stiles eine selbständige und eigenartige
Kunst, deren Vorzüge im wesentlichen in der
frischen Beobachtung des gewöhnlichen Lebens und
der Einzelheiten der natürlichen Formen und in
einer reizvollen, harmonischen Farbengebung bestanden
(s. Museum V, S. 5). Die beiden Hauptmeister
dieser Schule sind im 14. Jahrhundert
Altichiero und im 15. Jahrhundert Vittore Pisano,
gen. Pisanello (s. Mus. VI, S. 21).

Man kann wohl sagen, dass der Einfluss dieser
Veroneser Maler grundlegend für die Entwickelung
der neuen venezianischen Malerei geworden ist.
Pisanello hat um 1420 im Dogenpalast in Venedig
ein grosses Gemälde ausgeführt — ein deutlicher
Beweis dafür, dass man in Venedig die einheimischen
Maler einer solchen Aufgabe damals noch nicht für
fähig hielt. Neben ihm war Gentile da Fabriano,
der Hauptvertreter der in ihrem Wesen jenen Veroneser
Künstlern nahe verwandten umbrischen Malerschule
, im Dogenpalaste thätig. Gentile hat in
Venedig selber Schule gemacht. Wir wissen, dass
Jacopo Bellini sein Geselle gewesen ist und mit ihm
in Florenz gearbeitet hat, aber der Einfluss Pisa-
nellos ist, wenn auch weniger unmittelbar beglaubigt,
doch sicher nicht geringer gewesen. Als dritter
Faktor sind ohne Frage die Werke der Skulptur
des 14. und 15. Jahrhunderts, die sich in engstem
Anschlüsse an die toscanische Kunst, vor allem an
Giovanni Pisano entwickelt hatte, für die Bildung
der venezianischen Malerschule von grosser Bedeutung
gewesen.

Das sind die Formengrundlagen, die der venezianische
Genius, nun da er für eine selbständige
künstlerische Bethätigung reif geworden war, zum
Ausdrucke seiner ganz eigenartigen poetischen
Empfindungsweise sich zu Nutze machte. Dem Einflüsse
der deutschen, im besonderen der kölnischen
Malerei, von dem man ebenfalls gesprochen hat,
wird man neben so starken und charakteristischen
Kräften wie Pisanello und Gentile wohl kaum eine
grosse Bedeutung beimessen dürfen.

Sehr mit Unrecht hat man die beiden führenden
venezianischen Malerfamilien, die der Vivarini aus
Murano und die der Bellini in einen gewissen Gegensatz
zu einander gestellt. Von einem Widerstreite
der künstlerischen Prinzipien kann jedenfalls nicht

die Rede sein, da sie von den gleichen Vorbildern
und von den gleichen Ideen ausgehen und in einem
im wesentlichen gleichen Entwickelungsgange sich
ausbilden.

Freilich erscheint Jacopo Bellini (s. Museum II,
S. 29) Antonio Vivarini gegenüber als der bedeutendere
, vielseitigere und in jeder Hinsicht gebildetere
Künstler. Aber nicht die wenigen von ihm erhaltenen
Gemälde sind es, die uns zu diesem Urteile
berechtigen, sondern seine Studienzeichnungen, von
denen uns eine grosse Anzahl in zwei Skizzenbüchern
in London und in Paris erhalten geblieben sind.
Hier bewegt er sich ganz frei und durchforscht voll
Begeisterung und mit sorgsamem Fleisse das ganze
Gebiet der Natur und des Wissens, wie es sich ihm
darbot; in seinen Gemälden bleibt er an das Schema
des religiösen Zeremonienbildes, an die Anforderungen
des Gegenstandes gebunden.

Obwohl Jacopo älter war als Antonio Vivarini
, da er 1429 bereits verheiratet gewesen sein
muss, während von Antonio, der sich auch erst um
diese Zeit verheiratet zu haben scheint, kein Werk
vor 1440 bekannt ist, so macht seine Kunst doch
einen modernen Eindruck. Er verdankt diese Ueber-
legenheit über seine Landsleute ohne Zweifel seinem
Unterrichte bei Gentile, vor allem wohl seinem Autenthalte
in Florenz und seiner Bekanntschaft mit
Donatello, mit dem er in Padua gleichzeitig thätig
war. Er hält sich von der Ueberladung mit Schmuck
und Gold fern und sucht die prunkvolle Wirkung
durch die Schilderung tiefer Empfindung zu ersetzen.
In der Darstellung der Körperformen, wie in der
Faltenbildung jedoch geht Jacopo von der gleichen
Grundlage aus wie die älteren Vivarini; Gefühlsstimmung
wie auch das Prinzip der Farbengebung
sind ihnen gemeinsam.

Antonio Vivarini und sein Genosse Giovanni
d'Allemagna, dessen Anteil an den gemeinsamen
Werken wir nicht feststellen können, sind von dem
Einflüsse toscanischer Kunst noch unberührt. Ihre
Art ist die echt venezianische, die die künstlerische
Idee unmittelbar durch die Anschauung des Gemütszustandes
, nicht erst durch das Gleichnis einer Handlung
auszudrücken strebt, das Kunstidiom, zu dein
auch die folgende Generation, nachdem sie sich von
dem überwältigenden Eindrucke der grossen Kunst
Donatellos wieder frei gemacht hatte, zurückgekehrt ist.

Ueber die Persönlichkeiten Antonio Vivarinis
und Johannes des Deutschen wissen wir nichts,
Vasari kann hier nicht einmal mit seinen, übrigens
oft recht lehrreichen Anekdötchen aufwarten. Wir
sind, abgesehen von den wenigen und wenig inhaltsreichen
Dokumenten, die über sie bekannt geworden
sind, für unsere Erkenntnis also allein auf das
Studium ihrer Werke angewiesen.


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