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herstellung begünstigt. Schon am Anfang des
18. Jahrhunderts hat Lorenz Weber in Florenz die
ersten Nachgüsse gefertigt und seitdem unzählige
Nachfolger gefunden. Man erkennt diese modernen
Güsse an der Stumpfheit der verschleiften Formen,
meist auch an der fehlenden Patina, die durch An-
blakung ersetzt wird, vor allem aber daran, dass sie
kleiner sind als die Originale, da das
Metall beim Giessen und Erkalten einschwindet
.
Die italienische Schaumünze des 15.
Jahrhunderts verdankt ihre Entstehung
der Ruhmesliebe seiner Fürsten, die
sich, ihre Familie, ihre Thaten, ihre Bauten
in diesem monumentalen Chronikstil
verherrlicht wissen wollten. Der in
der Natur der Münze liegende Gegensatz
zwischen Vorder- und Rückseite
stellte an den Poeten fast so grosse Anforderungen
wie an den Plastiker. War
der Avers meist dem letzteren für das
Porträt zugewiesen, so hatte für den Revers die allegorische
Dichtung einzutreten, um mit vieldeutigen
Beziehungen einen festlichen Tag zu feiern oder der
Eigenart des fürstlichen oder humanistischen Bestellers
gerecht zu werden. Besonders häufig tritt die Medaille
mit dem Baueifer jener Zeit in Beziehung. In die
Fundamente der Pfeiler wurden die Medaillen als profane
Amulette eingemauert. Die Kellermauern des
Palazzo Venezia in Rom, des Palazzo Strozzi und
des Turms von Sa. Croce in Florenz haben neuerdings
ihre so gründlich vermauerten Schätze beim
Umbau herausgegeben; man fand die einzelnen Medaillen
in Thonkapseln verborgen und mit einer der
Feuchtigkeit wehrenden dünnen Wachsschicht überzogen
. Ihrem besonderen Zweck entsprechend
feiern diese Stücke meistens den Erbauer und den
Bau, dessen Bestand sie segnen sollen. Wie wichtig
solche Medaillen für die Kunstgeschichte werden
können, möge die abgebildete Medaille Matteos de'
Pasti zeigen, die für den von Leon Battista Alberti
im Auftrag Sigismondo Malatestas begonnenen Neubau
von San Francesco in Rimini gegossen wurde.
Sie zeigt auf dem Revers die von Alberti geplante,
aber nicht vollendete Fassade des „Tempels", deren
Oberbau wir ohne diese Medaille überhaupt nicht
kennen würden. Die erschütterndste Katastrophe,
die Florenz im 15. Jahrhundert erlebt hat, der Pazzi-
aufstand gegen die Medici am 26. April 1478, als
Lorenzo und Giuliano in den Chorschranken von
S. Maria del Fiore überfallen wurden, ist von Ber-
toldo im Bronzebild festgehalten worden, als ewiges
Dokument der Schmach und des Verrates. Vor
allem aber geben die Schaumünzen uns einen fast
lückenlosen dynastischen Katalog der regierenden
Matteo de1 Pasti: Med. aut
L. B. Alberti. Revers mit der
Front S.Francesco in Rimini.
Bronze, in wirkl. Grösse reprod.
Häuser jener Zeit, einen gothaischen Kalender höheren
Stils. Der Herrscher und seine Familie, der Fami-
liaris und Humanist des Hofes, der fürstliche Freier
und seine Braut, der Gast und Bundesgenosse —
sie alle geben sich hier ein Stelldichein und lassen
uns eine Gemeinschaft ahnen, wie sie die beste Hofchronik
und der Corteggiano des grossen Castiglione
nicht geben können. Die Rückseiten
zeigen, worauf diese Menschen alle im
Leben Wert gelegt haben; sie sind durch
das, was sie nicht verraten, oft ebenso
bezeichnend wie durch ihre positive
Mitteilung. Ganz auffallend ist es z. B.,
dass die religiösen Symbole stets zurücktreten
— ein neuer Beweis für die
wesentlich dekorative Schätzung der
Kirche in jener Zeit.
Die Entwicklung der Medaille fällt
nicht zusammen mit der Geschichte
der hohen Kunst. Thatsache bleibt es,
dass im 15. Jahrhundert Florenz der
Schauplatz der entscheidenden Siege in der Kunst
ist. Die Florentiner Medaille setzt dagegen erst
nach der Mitte des Jahrhunderts und auch dann
noch zögernd ein, als die klassische Form für diese
Kunstgattung in Oberitalien längst gefunden ist.
Die Bedeutung, welche die Fürstensitze der Este,
Gonzaga, Malatesta, Sforza, Anjou in der allgemeinen
Kunstgeschichte haben, ist, mag man sie noch so
hoch werten, doch nicht entsprechend ihrer Wichtigkeit
als Medaillenheimat. Nur in einem Punkt
spiegelt auch die Medaille die übrige Konstellation:
Rom und das Papsttum beteiligen sich erst spät
am Wettkampf. Der mobile Charakter der Medaille
bringt es mit sich, dass sie reist und in Gegenden
dringt, in welche die hohe Kunst nicht nachfolgen
kann, wie nach Konstantinopel, oder doch erst später
nachfolgt, wie in das südliche Frankreich.
Es wird immer ein Rätsel bleiben, wie die gegossene
Schaumünze entstanden ist. Sie tritt um
1440 plötzlich auf, sofort in höchster Vollendung
und einem Stil, dessen Geschlossenheit nie wieder
erreicht worden ist. Vittore Pisano ist der Begnadete
, in dem der Gedanke des Bronzeporträts
entstand; seine Lösung trug den Stempel höchster
Einfachheit. Als Freund der Fürsten und Höfe
musste er darauf bedacht sein, die langjährige Gastfreundschaft
wett zu machen. Und eines Tages bot
er seinen Wirten die Schaumünze an. Es muss in
den festlichen Tagen des Ferrareser Koncils gewesen
sein, wo Orient und Occident sich gegen die
Türkengefahr zusammenschloss, als die ersten Stücke
entstanden. Der griechische Kaiser Johann VIII.
Palaeologus eröffnet die Reihe des heutigen Bestandes;
gewiss war eine auf Niccolö III. Este, den Wirt der
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