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Riesenversammlung, vorausgegangen. Seitdem geht
Pisanos Thätigkeit fast ganz in der Schaumünze
auf; nicht weniger als 31 Stücke von ihm sind erhalten.
Von diesen 31 sind 28 mit dem Namen des Künstlers
bezeichnet — ein Ausdruck für das Selbstbewußtsein
desselben; denn nicht nur das
einzelne Stück, die ganze Stilgattung
war seine Schöpfung. Fer-
rara, Mantua, Mailand, Rimini,
Neapel heischen Münzen von ihm.
Seit Giotto war kein Künstler von
den Fürstenhöfen so verhätschelt
worden. Das Glück wollte, dass
er ebenso trefflich dichten wie
formen konnte. Man prüfe daraufhin
den Revers der Lionello-Me-
daille von 1444. Lionello, GE(ner)
R(egis) AR(agoniae) freite die
Tochter des Neapeler Königs. Mit
vollgeblähtem Segel treibt sein
Lebensschiffchen. Die wilde Kraft,
für die sein Name ein Symbol ist, lässt sich von
zarterer Macht belehren: den Löwen (Lionello)
lehrt Amor das Hochzeitscarmen. Stolz hebt sich
der Adler auf kahlem Ast — er deutet auf das Haus
Anjou, das sich mit neuem Leben füllen will.
Während der Avers den strengen Reliefstil mit
glattem Grund wahrt, auf dem das reine Profil des
Bräutigams und die Antiqua der Umschrift ohne
Rand aufsitzt, trägt die Rückseite einen mehr
malerischen Bildcharakter. Vergebens fragt man
hier wieder nach dem Vorbild. Der Gegensatz des
Stils ist gewiss beabsichtigt. Die fest umrissene
Präzision des Charakterbildes wird von der Poesie
einer zarteren Wirklichkeit umwoben. Ein noch
ergreifenderer Hymnus tönt vom Revers der Gecilia
Gonzaga-Münze. Jung hatte die Fürstentochter, um
keinem Ungeliebten folgen zu müssen, den Schleier
genommen. In stiller Mondnacht sitzt sie auf den
Hügeln und blickt über den geliebten Heimatsgau.
Ihr junger Leib schimmert im Licht Lunas. Das
riesige Einhorn schlummert zahm neben der Unberührten
; aber schwermütig träumt diese in die stillen
Weiten, als sänne sie dem verlorenen Recht auf
Glück nach. Es ist, als ob Pisano das Recht des
Herzens da hätte wahren wollen, wo die Hofetiquette
ihr Opfer forderte.
Die fürstlichen Herren in der Romagna hatten
in Pisanos glücklicher Erfindung ein Symbol ihres
Herrscherbewusstseins entdeckt, das sie nicht wieder
missen mochten. Schon zu Pisanos Lebzeiten finden
sich neue Künstler, um für diese jetzt zum eisernen
Bestand der Höfe gerechnete Kunstgattung ausgiebig
zu sorgen. In Rimini erstand Pisano der gefährlichste
Konkurrent, wo sein Landsmann Matteo de'
Pasti sich in dem Hymnus auf Sigismondo und
seine Geliebte, Isotta, nicht genug thun konnte.
Nicht weniger als zehnmal hat er den Malatesta gegossen
, und sechsmal die von jenem fast vergötterte
Frau, deren Züge man eben wegen Matteos Medaillen
nicht länger in der Büste
im Pisaner Campo Santo suchen
sollte — die letztere ist ein Werk
Matteo Civitalis, der mit Rimini
in keiner Verbindung stand. Matteo
de' Pasti ist gerade im Revers
unerschöpflich, den er oft bei
gleicherVorderseite wechselt. War
Vittore in erster Linie Höfling,
so ist Matteo der Humanist, der
mit Vorliebe seine gelehrten
Freunde darstellte, unter denen
kein Geringerer als Leon Battista
Alberti sass. Einmal wagte er
sich auch in das ideale Gebiet und
bildete Christus ab, dessen persönliche
Züge, nicht im idealen Typus, auf Grund der
bekannten Gemme als authentisch überliefert galten.
Ferrara, dessen Skulptur ausser dem stimmungsvollen
Domenico di Paris im 15. Jahrhundert keinen
einheimischen Künstler aufzuweisen hat, beruft seine
Medailleure aus Mailand, Mantua und Florenz; hier
ist Antonio Marescoto, von 1446—60 thätig, als
Glücklichster zu nennen. Das 1461 für Borso d'Este
errichtete Reiterstandbild, das von einem Schüler
Brunellescos und Filaretes, dem Florentiner Niccolö,
gegossen wurde, zeigt, bis zu welchen Leistungen
des Gusses man sich in der Stadt der Este heraufwagte
.
Ganz eigene Gaben hat wie allerseits auch in
der Medaille Venedig anzubieten. Den starken Ein-
fluss, den die Antike hier ausübte, verdankt sie dem
unbegrenzten Schönheitsdurst der Venetianer. Das
Relief ihrer Medaillen ist ganz flach — ähnlich wie
in der Grossskulptur dieser Stadt —, der Revers
zeigt mit Vorliebe das Nackte in idealer Schönheit.
Die Medailleure sind hier die grossen führenden
Künstler; Gentile und Giovanni Bellini, Giovanni
Boldu (1457—66 thätig) arbeiten für die Zecca und
zugleich die Medaille. Von hier aus flutet aber
auch eine reaktionäre Bewegung, die Vittore Gam-
bello gen. Camelio heraufbeschwor, den sein Amt
als Stempelschneider von der gegossenen zur geprägten
Medaille zurückführte, deren technisch gebundener
Charakter freilich dem Stück den Vorzug
freier Gestaltung nahm.
Es ist begreiflich, dass in der Medaillenkunst,
die im Prinzip immer wieder dieselben Forderungen
stellt, bald eine Ermüdung eintrat, über die man sich
mit der Steigerung des technischen Raffinements verMedaille
aul Cosimo Medici. Zweite
Hälfte des XV. Jahrh.
Bronze, verkleinert.
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