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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_museum_08/0074
nach einem Urteil, wie es uns Plinius über das Bild
eines nackten Heros aufbewahrt hat: er habe in
dieser Figur die Natur selbst herausgefordert. Dasselbe
kann man von dem Apoxyomenos des Lysipp
sagen.

Im Kolorit war Apelles einfach. Er gehört zu
den im Altertum nicht wenigen Malern, die mit vier
Farben — weiss, schwarz, rot, gelb — gemalt haben.
Schwerlich hat er diese Farben in ihrer Substanz,
so wie sie waren, rein verwendet, sondern durch
Mischung verschiedene Töne, vermutlich auch bläuliche
und grünliche gewonnen. Aber keinesfalls werden
seine Bilder in der bunten Farbenskala gehalten gewesen
sein, wie wir sie aus der Polychromie der
Marmor- und Thonplastik, in ihrer vollen ursprünglichen
Wirkung seit kurzem aus den bemalten Reliefs
des Alexandersarkophags (Museum Bd. I, Taf. 46)
kennen. Da stehen violett, blau, grün, gelb, rot,
braun in ganzen und grösstenteils reinen Tönen
nebeneinander in leuchtender, glänzender Buntheit.
So können die Gemälde des Apelles nicht ausgesehen
haben, aber sie brauchen ebensowenig dem koloristischen
Eindruck nach farblos gewesen zu sein.
Weist doch ein antikes Zeugnis gerade auf die Vielfarbigkeit
seiner Bilder hin. Rubens hat sein starkes
und lebhaftes Kolorit aus 7 Farben gewonnen. Ve-
lazquez, Rembrandt, Franz Hals sind nicht buntfarbig
. Sie haben die Einzeltöne in ihren Gemälden
zu einer einheitlichen Gesamtwirkung zusammen-
gefasst. Von Apelles berichtet Plinius, er habe
eine neue Farbe, atramentum, elfenbeinschwarz, erfunden
und diese in ganz feiner Lasur über die
Bilder gelegt, „so dass die darunterliegende Farbe
einen anderen Ton annahm. Dieses Verfahren war
sehr wohl darauf berechnet, dass die Klarheit der
Farben das Auge nicht verletze, indem man sie nun
wie durch ein Glas gebrochen anschaute, und dass,
aus der Ferne gesehen, die zu hellen und leuchtenden
Farben dadurch unvermerkt einen ernsteren Ton
erhielten". Wir hören also hier von einem Versuche,
die verschiedenen Farben zu einer Einheit der Wirkung
zu verbinden durch einen Schleier, eine dünne
Schicht, die das offene und grelle Bunte deckt und
zurückdrängt, ein Versuch, der auf das Bestreben
hinzudeuten scheint, dem Eindruck der Erscheinung
der Dinge in der Natur, wie er durch die Einwirkung
des Lichtes und der Luft bestimmt wird,
irgendwie gerecht zu werden.

Es versteht sich von selbst, dass einem Künstler,
der auf dieser Bahn voranschritt, die Wiedergabe von
Lichtreflexen, Spiegelungen und Brechungen der Töne
nicht unbekannt sein konnte. In dem Bilde der auftauchenden
Aphrodite war allem Anschein nach der
Unterkörper der Göttin durch das Wasser durchscheinend
gemalt; das berühmteste Alexanderporträt
des Apelles stellte den König mit dem Blitz in der
Hand dar; die Tönung des Körpers entsprach nicht
ganz der natürlichen Hautfarbe Alexanders, sondern
war dunkler gehalten, wie wohl mit Recht vermutet
worden ist, um den Glanz des Blitzes zu heben
und zu steigern. Die grösste Bewunderung erregte,
wie an den weiblichen Körpern die Hautfarbe ins
rötliche spielend, als wenn das Blut durchschiene,
wiedergegeben war. An der Figur eines nackten
Knaben auf einem Bilde im Asklepieion in Kos
rühmt der Dichter Herondas die Darstellung des
Fleisches : man habe das Gefühl gehabt, das Pulsieren
unter der Haut zu sehen. An der Statue
des Apoxyomenos erweckt die bewegt modellierte
Oberfläche einen ähnlichen Eindruck.

Lysipp und Apelles haben die griechische
Kunst in eine neue Epoche hineingeführt. Der
wundervolle weibliche Kopf von Pergamon (Museum
Bd. I, Taf. 13, S. 5), mit dessen Würdigung
durch R. Kekule von Stradonitz die Reihe von Besprechungen
antiker Kunstdenkmäler in diesem
Werke eröffnet worden ist, zeigt uns, wie die Kunst
der folgenden Jahrhunderte die neuen Probleme
weiter entwickelt hat, er zeigt es in dem Originalwerke
eines grossen Meisters und hat als solches
die Geltung eines besonders wertvollen und gewichtigen
Zeugnisses. An diesem Kopfe ist keine
Form in bestimmter Umgrenzung der körperlichen
Fläche und so gewissermassen als dauernde unveränderliche
gegeben, sondern alles erscheint wie in
vorübergehender zitternder Bewegung in flimmerndem
Licht, das über die belebte Oberfläche hinspielt
und die Formen für das Auge entstehen lässt,
in leichtem raschem Wechsel, als farbige Eindrücke.
Es wird an stilistisch entsprechenden Werken der
Malerei nicht gefehlt haben, aber es sind uns
keine gleichzeitigen Gemälde erhalten. Dagegen
besitzen wir aus etwas späterer Zeit, aus der letzten
Epoche der noch frischen und selbständigen griechischen
Kunst eine reiche Ueberlieferung in den
älteren unter den Wandgemälden von Rom, Herku-
lanum, Pompeji. Die graziösen Tänzerinnen, die
über diesem Aufsatz abgebildet sind, gehören dieser
Gruppe an. Sie sind rasch hingeworfen in Farbenflecken
, Tönen und breitfliessenden Strichen, und in
derselben Art sind grössere Bilder, wie die Aldo-
brandinische Hochzeit (Museum Bd. II, S. 49) und
die Odysseelandschaften ausgeführt. Als diese
Malereien entstanden, um die Mitte und in den
letzten Jahrzehnten des ersten vorchristlichen Jahrhunderts
, war die Lehre, die Lysipp und Apelles
begründet hatten, schon in längerer Tradition zum

Allgemeingut geworden. ^

D 00 Franz Winter.

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