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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_museum_08/0076
Pontormo. Bildnis des Kardinal Spannocchi Cervini (später Papst Marcello).

Rom, Galerie Borghese.

überhaupt. Die Florentiner Künstler sahen staunend,
wie alles Kleinliche und Zufällige sich hier dem
ewigen Wesenszuge des Geschlechtes unterordnete,
das Individuelle über sich selbst gleichsam emporwuchs
in die reinen Höhen des Typischen.

Genies schaffen Typen, Talente können nur
stilisieren, d. h. nach einem bereits Gegebenen
formen, und Lionardos florentinische Bewunderer
waren nur mehr glänzende Talente. Andrea del
Sarto und Franciabigio, wurzelkranke, im innersten
Wesen unselbständige und schüchterne Naturen,
waren nicht stark genug, die Fesseln des eigenen
Ich abzutreifen, vermochten niemals, auch nur zur
ersten Vorbedingung des Typenschaffens, zur Objektivität
sich durchzuringen. Aber gerade dieser
Subjektivismus, dies Analysieren der eigenen Seele,
macht ihre Porträts ungemein anziehend und ergreifend
; wie Selbstbeichten, wie lyrische Gedichte
scheinen sie. Diese stets dunkel gekleideten Jünglinge
mit den frauenhaft zarten Händen, dem schmerzlichverschleierten
Blick, dem melancholischen Lächeln
um die blassen Lippen, alle machen den Eindruck
von Künstlern oder Litteraten. Jene Bildnisse

aber werden nicht ausschliesslich
durch das Temperament ihrer Maler
erklärt. Wie meist in den letzten
Tagen alter Kulturen stand das
Rein-Geistige am höchsten in der
allgemeinen Schätzung. „Ein solcher
Unterschied" — heisst es in einem
Briefe aus jenen Tagen — „waltet
zwischen einem Menschen, der die
Wissenschaften kennt und einem,
der sie nicht kennt, wie zwischen
einem gemalten und einem lebendigen
Menschen." Der „Intellektuelle
", wie man heute sagen
würde, nahm damit in Florenz
jene bevorzugte Stellung ein, die
das Mittelalter dem Condottiere,
das Quattrocento dem grossen Kaufherrn
gewährt hatte. Gefördert
wurde dieser Hang zum Litterarischen
auch durch die unerfreulichen
politischen Zustände. Gerade
die Feinsten wandten sich vom
Lärm des Pöbels ab, lebten in
ihren Villen, dem Toben des Marktes
entrückt, ein stilles Traumdasein.
Einer freudigen Hingabe ans Leben
war jene Generation nicht mehr
fähig. Blutleer und ohne Energie
des Handelns, berauschten sie sich
gleichwohl gern an heroischen
Thaten, flüchteten zu den Riesengestalten
der Vergangenheit, beschworen die erhabenen
Toten des Quattrocento aus ihren Gräbern, wurden, wie
so viele Romantiker, zu Historikern. „Wundere
dich nicht," — schrieb Lorenzo Strozzi an seinen
Bruder, da er die Biographie ihres Vaters Filippo ihm
übersandte, — „dass ich mit einer derartigen Thätigkeit
mein Gehirn anstrenge. Andere Vergnügungen sind
mir widerwärtig geworden, und ich habe meinen
Geist auf solche Dinge gerichtet, damit ich mein
Leben weniger bedaure." Und wenn dieKünstlereinen
solchen jungen Nobile von der ArtdiesesStrozzimalten,
sinnend, in trauernder Herbstlandschaft alte Schriften
lesend, am Schreibtisch sitzend oder ein Kunstwerk betrachtend
, — sie werden es dem Modell gewiss
zu Dank gemacht haben.

Gleich manchen Schwachen gefielen sich auch
diese jungen Aristokraten bisweilen in der Rolle des
Starken. „Wenig oder gar nicht waffenkundig", — so
nennt sie zumMindesten der Historiker Nardi, — Hessen
sie trotzdem sich gern im Panzer malen, und der
Künstler musste, wie Vasari im Porträt Alessandros
de' Media", sein ganzes Können aufbieten, um durch
Gleissen und Funkeln der Waffen den Eindruck des

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