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Dräuenden und Furchteinflössenden
hervorzurufen. Der Harnisch passte
längst nicht mehr allen, die ihn
tragen wollten. Ergreifend wirkt
auf einem dem Piero di Cosimo
zugeschriebenen Porträt der Londoner
Nationalgalerie der geradezu
tragische Kontrast zwischen der
Blässe der melancholischen Gelehrtenmiene
und dem hellen Blinken
der Rüstung. Die weichen, weissen
Hände, nur gewohnt, die Feder
zu führen, fassen ängstlich, beinahe
hilflos das Schwert. Vergleicht
man diese Hände und ihre Art, ein
Schwert zu halten mit den Fäusten
von Gastagnos wuchtigwüstem Pip-
po Spano, so steht ein Stück Florentiner
Geistesgeschichte klar vor
unseren Augen.
Je feiner und subtiler das Empfinden
eines Menschen wird, desto
mehr sucht er alles, was ihn um-
giebt, mit seinem Wesen in Einklang
zu bringen. Die Dinge, auf
denen im steten unbewussten Verkehr
sein Auge ruht, sollen ein
Teil seines Selbst werden, seine
Persönlichkeit ausdrücken wie die
Worte, die er spricht, die Kleidung
, die er trägt. Pontormo,
Andrea del Sartos Schüler, erkannte
dies als erster Florentiner, nutzte in
manchmal raffinierter Weise Umgebung
und Beiwerk als Mittel zur
Charakteristik aus. Er zuerst lässt
uns die soziale Atmosphäre atmen, in der das Modell
lebte, die ihm zum Dasein notwendig schien. Pontormo
war ein Künstler von seltsam zwiespältiger
Natur: grüblerisch und menschenfeindlich, am liebsten
unter den Mönchen der Certosa hausend, hatte er
gleichwohl Sinn für aristokratische Kultur und
dekorative Eleganz. Betrachtet man flüchtigen Auges
die repräsentative Art, die hellen Farben seiner
Porträts, so möchte man ihn für ein frohes Weltkind
wie etwa Sebastiano del Piombo halten; aber in
den Blicken seiner Modelle flackert jene nervöse
Unruhe, die ihn selbst verzehrte, ihre Mienen sind
krankhaft bleich, und zuweilen schürzt die Lippen
ein tiefbitterer Zug der Verachtung.
Andrea del Sartos und Franciabigios Porträts
sind Seelenstudien schlechthin; in denen Pontormos
geht selbstquälerische Analyse mit der freien Grösse
des Repräsentationsbildes eine komplizierte Verbindung
ein; Vasaris Bildnisse endlich sind Werke
Bronzino. Bildnis der Eleonora von Toledo.
Berlin, Kgl. Gemäldegalerie.
eines litterarisch empfindenden Gelehrten. Für das
Porträt, dem er die „grosse Kunst" scharf gegenüber
stellte, hegte er keine Neigung. Die nahezu unbekannten
Bildnisse seiner Eltern in der Badia von
Arezzo, die er mit kindlicher Hingebung ausführte,
gehören freilich noch zum Besten der florentinischen
Porträtmalerei. In den Bildnissen Lorenzos und
Alessandros de1 Medici stören bereits jene geistreichen
Anspielungen und Beziehungen, über die er in seinen
Briefen mit viel Behagen sich verbreitet; und den
Gipfel, man darf wohl sagen der Geschmacklosigkeit,
muss dies Stilisieren „all' antica" in dem heuu
verschollenen Porträt des schönen Tommaso Cambi
erreicht haben, den er nackt als Endymion darstellte.
Solchen Ausgeburten einer wild gewordenen
Gelehrtenphantasie bot das nachrepublikanische
Florenz wenig Raum. Cosimo de' Medici, der seit
dem Jahre 1537 die Zügel der Herrschaft in eisengepanzerter
Faust hielt, hatte als energischer Real-
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