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Hans Sebald Beham. Bauernhochzeit.
Holzschnitt, stark verkleinert. (Bartsch [68.)
Deutsche Kleinmeister.
Die Abbildungen am Beginn des Textes („Marktbauer", Bartsch 186), unten auf Seite 70 u. 71 („Bauernhochzeit", Bartsch 166—173; „Bauern in der Laube",
Bartsch 161; „Kämpfende Bauern", Bartsch 165), die Schlussvignette („Der Genius mit dem Alphabet", Bartsch 229) sind nach Kupferstichen von Hans
Sebald Beham, die Kopfleisten oben auf Seite 70 u. 71 (Bartsch 16 u. 17; verkleinert) nach Kupferstichen von Barthel Beham.
D
,AS Gesamtbild einer nationalen
Kunst wird durch
gewisse Züge bestimmt, die auch
in weit entfernten Zeiträumen und
in den verschiedensten Persönlichkeiten
zum Ausdruck kommen
. In ihnen geniessen wir den
Volkscharakter in seiner feinsten
Form. Von solchen Charakterzügen
germanischer Kunst sei heute einer hervorgehoben
: die Freude am Einzelnen und Kleinen, die
in scharfem Gegensatz steht zu der Sehnsucht der Romanen
nach schlichter Grösse. Bald äussert sie sich
in der Zierlichkeit der Darstellung auf kleinem Raum,
bald in einer subtilen Stoffmalerei, bald wieder in einer
ausführlichen Breite der Schilderung, die mit vielen
kleinen Zügen einen Vorgang zu erläutern und zu
ergänzen sucht. Namen zu nennen ist hier kaum
nötig. Sie stehen einem jeden in Fülle zu Gebote
aus allen Ländern germanischer Rasse und von den
Zeiten der van Eyck bis herab zu unseren Tagen
eines Leibi und Menzel. Mit der Schärfe der
Beobachtung vereinigt sich bei solchen Künstlern
gewöhnlich die Sorgfalt der Technik. Sie sind
Meister in ihrem Handwerk, in der Zubereitung und
im Auftrag der Farben, oder in der kalligraphischen
Sauberkeit der Zeichnung. Dergleichen Meisterschaft
im Kleinen könnte man füglich auf deutsch
Kleinmeisterkunst benennen. Der Sprachgebrauch
der Kenner hat indessen diesen Namen für eine
Künstlergruppe aufgehoben, die in der Nachfolge
Dürers erschienen ist. Diese deutschen Kleinmeister
des sechzehnten Jahrhunderts verdienen ihre Bezeichnung
freilich ganz besonders, weil sie nur im
Kleinen Meister gewesen sind, in dem Sinne, dass
ihnen erst recht wohl wurde in den engsten räumlichen
Grenzen, die anders geartete Naturen als
unerträgliche Schranken empfunden hätten. In
solchen Däumlingsbildern des Kupferstiches und der
Miniaturmalerei haben sie freilich Wunderwerke
geleistet, ohne die ein vollständiges Bild unserer
deutschen Kunst nicht zu denken wäre.
Das Auge des Fernerstehenden unterscheidet
unter dem Schwärm dieser Künstler gewöhnlich nur
ein Siebengestirn: die Brüder Beham, Georg Penz,
Altdorfer, Aldegrever, Binck und einen Nürnberger,
der uns von seinem Namen nur die Anfangsbuchstaben
I. B. verraten hat. Ueber die Bedeutung
Altdorfers als einer vielseitigen phantastischen Natur
von etwas dilettantischem Wesen lässt sich streiten,
unter den übrigen ragen jedenfalls die Brüder Beham
um Haupteslänge hervor.
Der ältere von ihnen, Hans Sebald, der 1500
zu Nürnberg geboren wurde, ist in der Schule
Dürers herangebildet. Freilich offenbart er sich als
einen von den Epigonen, die wohl die Geschicklichkeiten
ihres Meisters, nicht aber seinen Genius geerbt
haben. In jungen Jahren, als seine Eigenart noch
nicht entwickelt war, hätte er darüber täuschen
können. Damals, als Zwanzigjähriger, hat er, vom
Geiste Dürers überschattet und unterstützt von
einem ungewöhnlichen technischen Geschick, einige
Holzschnitte und Kupferstiche geschaffen, die seines
grossen Meisters selber wert gewesen wären. Dann
aber glitt er bald in seine Sphäre hinab. Mit dem
Adel Dürerischer Gesinnung, mit der Schöpferkraft
seiner unermesslichen Phantasie hatte er nichts
gemein. Man braucht ihn darum aber noch nicht
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