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worden sind' aber es ist bis jetzt nicht gelungen, den richtigen
Namen zu finden. Wichtiger als diese sekundäre Frage ist die
nach dem Urheber. Morelli hat das Porträt mit Bestimmtheit
für den Mailänder Maler Ambrogio de Predis in Anspruch genommen
, mit dessen authentischen, meist im Privatbesitz befindlichen
Bildnissen es vor allem die Anordnung in seinem
Profil nach links gemein hat, während dem gegenüber Bode die
alle jene Bildnisse weit überragenden Feinheiten dieses Frauenporträts
mit Recht betont. Ist das Porträt aber wirklich Lionardos
Werk, so muss man annehmen, dass er von den Lombarden
die bei diesen speziell ausgebildete Profilstellung nachgeahmt
habe. Als Werk des Predis würde dieses Bild andrerseits eine
von dem Meister sonst nicht wieder erreichte Höbe bedeuten.
Unberührt von diesen stilkritischen Fragen bleibt der künstlerische
Wert des Bildes bestehen: die zarte Karnation, von der die
vollen Lippen purpurn sich abheben, und die fein empfundene
Zeichnung der anmutigen Profillinie zeigen sichere Meisterhand,
die Anordnung des Schmuckes einen erlesenen Geschmack.
10. Lucas van Leijden: Die Rückkehr des verlorenen
Sohnes. Nach Irrungen und Leiden ist der verlorene Sohn zurückgekehrt
. Vor dem Hause ist er in die Kniee gesunken,
um die Vergebung des Vaters zu erbitten, und der Vater nimmt
ihn gnädig auf. Zuschauer in zwei Gruppen wohnen der Erkennungsszene
bei auf dem Plateau, das die heiterste Ueber-
sicht über das stattliche Gehöft und das friedliche Heimatsland
gewährt. — Das Blatt ist nicht datiert, doch kann es nach Ver-
gleichung mit datierten Blättern einigermassen sicher in das
Jahr i5io gesetzt werden. Dieser Periode in der kurzen, an
Stilwandlungen reichen Arbeitszeit des Lucas van Leijden
charakteristisch ist ebensowohl die gradlinige Steifheit der übermässig
langen Figuren wie auch die prächtige Entfaltung der
Lokalität. Wundervoll, namentlich in frischen, silbrigen Abdrücken
, ist die Hintergrundslandschaft.
11. Van der Heist: Bildnis Paul Potters. Der grosse
holländische Tiermaler Paulus Potter wurde schon am 17. Januar
1664 begraben. Mit der Jahreszahl 1654 bezeichnet ist sein
Bildnis von der Hand des van der Heist, wahrscheinlich nach
dem Tode des Dargestellten gemalt oder doch vollendet. Krank
und müde sitzt der jugendliche Meister mit der Palette in der
Hand vor seiner Staffelei, er wendet sich dem Beschauer zu.
Poetische Schwermut ist über die vornehme Gestalt gebreitet,
eine Stimmung, die den Bildnissen des gesunden und nüchternen
Amsterdamer Porträtisten durchaus nicht gewöhnlich ist. In
der gediegenen Zeichnung, der geschmackvollen Färbung
und der sauberen Durchführung gehört das Gemälde zu den
besten Arbeiten van der Heists. Auf der Versteigerung des
Herrn v. Reenen, der ein Nachkomme der Witwe Potters war,
wurde das Porträt, das schon in alten Künstlerbiographien als
das Bildnis des Tiermalers gestochen ist, 1820 für die Haager
Galerie erworben.
12. Potter: Der Stier. Obwohl, das berühmteste Bild Potters
und eines der populärsten Gemälde in Holland, ist „Der Stier"
kein glückliches, geschweige ein vollkommenes Werk. Der
Ehrgeiz des jugendlichen Meisters ging hier über die Grenzen,
die seiner Kunstgattung und seinem Temperament gezogen
waren, in der Wahl des Formates hinaus. Ein junger Stier,
eine Kuh, ein Bock, ein Schaf, ein Lamm, ein Bauer, alles in
natürlicher Grösse, ganz ruhig, dahinter eine weite Wiesenfläche,
darüber ein weisser Himmel. Keine Sonne, das nüchternste
Tageslicht. Die Tiere sind mit fast wissenschaftlicher Treue
dargestellt, mit einem trockenen Farbenauftrag, der die Stofflichkeit
des Fells vortrefflich ausdrückt. Die anspruchsvolle
Fläche fordert eine dekorative oder monumentale Gestaltung.
Potter ist aber seinen Anlagen nach weder monumental noch
dekorativ. Monumental kann die Tierwelt wohl nur dargestellt
werden dadurch, dass die animalische Kraft in Kampf oder Jagd
geweckt wird. Die ruhig betrachtete landwirtschaftliche Idylle
kann jedenfalls so weite Flächen nicht füllen. — Das Bild ist,
wie die meisten Schöpfungen Potters, voll bezeichnet..
13. Potter: Die Kuh, die sich spiegelt. Ist „Der Stier'; das
verblüffende Sensationsstück, das Potters Namen berühmt gemacht
hat, so ist das hier abgebildete, weit kleinere Gemälde
die Freude der Kenner. Auf beschränkter Fläche ein grosser
Reichtum; die Figuren, die Tiere im glücklichsten Verhältnis
zur Landschaft und der sorgsame Vortrag, die schlichte, liebevoll
eindringliche Auffassung im schönsten Einklang mit der
Bildgrösse. Der Gesamteffekt Cuyps ist beinahe erreicht,
während die Zeichnung viel genauer und schärfer erscheint als
die des grossen Sonnenmalers. Die Tafel stammt aus berühmten
holländischen Privatgalerien und war, wie auch „Der Stier",
zur Napoleonischen Zeit nach Paris entführt.
14. 15. Pompeo Leoni: Das Grabmal Kaiser Karl V. und
König Philipp II. von Spanien. Als Philipp 11., um seiner
Lieblingsschöpfung, dem Kloster in Escorial, die höchste künstlerische
Weihe zu geben, die plastische Ausschmückung der
capilla real plante, hatte er vergeblich den alternden Leone
Leoni, der sich schon der Gunst des Kaisers zu erfreuen gehabt
, nach Spanien zu ziehen gesucht. 1579 übernimmt zwar
Leone in seiner Mailänder Werkstatt die Ausführung einiger
Figuren für den Hochaltar; sie an ihrem Bestimmungsorte aufzustellen
, entsendet er seinen Sohn und trefflichen Schüler.
Pompeo zeigte sich des ehrenvollen Auftrags würdig; ihm war
es vorbehalten, dies Riesenwerk nach dem Tode des berühmten
Vaters zu vollenden. Eine mächtige Treppe aus edlem Gestein,
die zu betreten den Laien versagt ist, führt zur Kapelle hinauf,
die den Abschluss bildet des würdevollsten Tempels der Christenheit
. Bei Herreras strengen architektonischen Formen herrscht
hier eine unerhörte Prachtentfaltung kostbarsten Materials. Doch
nichts Aufdringliches hat dieser Prunk, keine grelle Farbe drängt
sich vor, alles ernst und ,,würdig so grosser Fürsten". Der
Altar, ein mächtiger Aufbau aus Bildern und Statuen, nach alter
spanischer Tradition die ganze Ostwand ausfüllend, wirkt
unruhig und massig. Um so reiner ist der künstlerische Eindruck
, welchen die beiden Grabmäler an den beiden Längswänden
hervorrufen. Auf Unterbauten von dunklem Marmor,
deren Thüren sich in die königlichen Oratorien öffnen, sind
zwei Meter tiefe Nischen angebracht, deren Rückwände aus
dunklem polierten Jaspis lange vergoldete Inschriften enthalten.
Vorn knieen die eigentlichen Grabfiguren, das Gesicht auf den
Altar gerichtet. Je zwei dorische Säulen mit bronzenen Basen
und Kapitellen sowie zwei ebenso gebildete Pilaster tragen das
geradlinige Gebälk aus Blutstein, auf dem ein Triglyphen-Fries
aus Bronze und Jaspis ruht. Eine Art Attika mit jonischen
Säulen aus Blutstein und flachem Giebel, flankiert von Halbbogen
aus grünem Marmor, schliesst die grossen Wappen aus
farbigem Stein ein. Die eigentlichen Grabfiguren, das Werk
Pömpeos (auf deren möglichst grosse Widergaben wir uns hier
beschränken müssen) sind auf der Evangelienseite: Karl V. neben
seiner Gemahlin Isabella von Portugal vor dem Betpult knieend.
Zwischen beiden erscheint Eleonora, die Witwe Franz I., hinter
dem Kaiser Maria von Ungarn. Beide Schwestern waren
bekanntlich Karl nach Spanien in die Weltabgeschiedenheit gefolgt
, von wo sie der Tod in demselben Jahre wie ihn abrief.
Die hinterste Figur ist des Kaisers Tochter Maria, welche mit
Maximilian II. vermählt war. Die Personen der gegenüberliegenden
Nische sind zunächst Philipp selbst zu Seiten seiner
vierten Gemahlin Anna von Oesterreich, der Tochter jener
Maria, deren Anwesenheit auf dem Denkmal Karls V. — sie
war nämlich bei dessen Aufstellung i5g5 noch am Leben —
als Schwiegermutter des Königs erklärt wird. Rechts kniet Maria
von Portugal vor ihrem unglücklichen Sohne Carlos, an den
sich Isabella von Valois, die dritte Gattin, anreiht.
16. Leibi: In der Küche. In seiner späteren Entwickelung ist
Leibi zu einer breiteren Pinselführung, einem grösseren Reichtum
farbiger Behandlung gelangt. Die Motive entnimmt er der
nächsten, ihm genau vertrauten Umgebung. So hat er wiederholt
die Magd, die ihm das Haus führt, als Modell verwendet,
allein oder zusammen mit einem jungen Burschen aus dem
Dorf. Die Küche in dem Bauernhaus, das Leibi bewohnt, ist
die Umgebung; und wie die beiden sich, unbeobachet gelassen,
gestellt haben, so ■— mit geringen Aenderungen — sucht
der Künstler sie nachzubilden. Die natürlichen Farben, die
blauen und braunen Stoffe, die der Bursche trägt, die farbige
Jacke des Mädchens verbindet er in ganz eigener Weise
harmonisch; die rauchgebräunte Wand wird ihm ein koloristisch
reizvolles Objekt. Die einfache Verbindung der Gestalten, mit
denen anekdotische Vorstellungen zu erwecken Leibi verschmäht,
könnte künstlerisch nicht glücklicher sein.
17. van der Heist: Bildnis des Gerard Bicker. Die bei
sauberem und glattem Vortrag sicher und stark charakterisierte
Figur eines ganz jungen, in roten Sammet gekleideten Herrn
zieht selbst im Rijksmuseum, wo van der Heist glänzend vertreten
ist mit seinen grossen Gildenstücken, die Aufmerksamkeit
auf sich. Der in der Fülle seiner Fleischlichkeit und seines
Selbstbewusstseins Dargestellte ist der Sohn des Amsterdamer
Bürgermeisters Andries Bicker, der am 6. Juni 1623 geborene,
am 16. September 1666 verstorbene Amtmann von Muiden.
Das, auch von van der Heist, als Gegenstück, gemalte Bildnis des
Vaters hängt auch im Rijksmuseum. Das Porträt des Vaters ist
mit dem vollen Namen des Malers signiert und von 1642 datiert.
Die 1848 erworbenen Tafeln gehören zu den früheren und
frischeren Schöpfungen des Amsterdamer Meisters.
18. Borgognone: Die Darbringung. Von dem fruchtbaren
lombardischen Meister, der der Quattrocentokunst treu blieb,
als alle anderen dem übermächtigen Einfluss Leonardos sich
unterworfen hatten, ist ausserhalb der Heimat selten die Rede,
trotzdem manche treffliche Proben seiner Kunst ins Ausland,
u. a. in die Galerien von Berlin, London und Paris gelangt sind.
Ihn, wie seine Altersgenossen hat die glanzvollere Kunst des
Leonardesken in Schatten gestellt. Die schlichten, von Pose
freien, von tiefem Gefühl und dem Streben nach Wahrheit
gleichmässig durchdrungenen Gemälde Borgognones sollten auch
darum interessieren, weil sie Analogien zu gewissen Erscheinungen
der deutschen, speziell rheinischen Schule, etwa
den Arbeiten des Kölner Meisters des Marienlebens bieten. In
Lodi, in der herrlichen, als Achteck gebildeten Kirche der
Incoronata, hat der Meister in den Jahren 1498—15oo ein Fresko,
das die Krönung Mariä darstellt, gemalt, das leider bei einem
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