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ERLAUTERUNGEN
1. Rubens: Bildnis eines jungen Mädchens. Das blonde,
in gesunder Jugend strahlende Mädchen war eine Schönheit
nach dem Herzen des Rubens. Der Meister hat die Aufgabe,
sie zu porträtieren, recht mit Lust gelöst. Es scheint, dass die
junge Dame eine Schwester seiner zweiten Gattin war, Susanne
Fourment, die den Arnold Lunden heiratete. Rubens behielt
das Porträt anscheinend bis zum Tode in seinem Besitz. Dann
kam es in die Hände des Nicolas Lunden, der eine Tochter
des Rubens zur Frau hatte und vielleicht ein Sohn der Dargestellten
war. Zu Anfang des ig. Jahrhunderts besass Mr. Stiers
d'Aertselaar das Bild, dann war es in der Galerie Peel, die 1871
in die National Gallery kam. Der Titel „Chapeau de paille",
unter dem das Porträt berühmt ist, scheint eine missverständliche
Entstellung der Bezeichnung „Chapeau d'Espagne" zu sein. Der
Malweise nach gehört das Werk der mittleren Zeit des Meisters an.
2. Dürer: Das Rosenkranzfest. Während seines Aufenthaltes
in Venedig führte Dürer diese Tafel aus für den Altar der
deutschen Kaufherren in der Kirche S. Bartolommeo. Ueber
die Entstehung des Werkes sind wir gut unterrichtet durch
einige Stellen in den Briefen, die der Meister aus der Fremde
an seinen Freund Pirkheimer richtete. Dürer begann mit den
Vorbereitungen zu der Malerei bereits im Januar i5o6; im
September dieses Jahres war das Werk vollendet und fand viel
Lob und Beifall. Die Inschrift auf der Tafel selbst lautet: „Exegit
quinquemestri spatio Albertus Durer Germanus MDVI." Bei
dieser Zeitangabe hat der Meister wohl nur die Dauer der
eigentlichen Malausführung in Rechnung gezogen, die zeitraubenden
Vorbereitungen aber, die Porträtaufnahmen und
andere Naturstudien ausser Acht gelassen. Wir besitzen noch
sorgfältig mit dem Pinsel auf bläulichem Papier ausgeführte
Studien zu dem Gemälde in grösserer Zahl. Dargestellt ist
Maria als Königin des Rosenkranzfestes. Sie verteilt mit Hilfe
des Christkindes, des heiligen Dominicus und vieler Engel
Rosenkränze an die gläubige Gemeinde, an deren Spitze zur
Rechten und zu Linken der Kaiser Max und der Papst Julius II.
knieen. In der Gemeinde sind die Stifter der Tafel, die hervorragendsten
Glieder der deutschen Kaufmannschaft in Venedig,
porträtiert. Der Kaiser Rudolph, der begeisterte Verehrer der
Dürer'schen Kunst, erwarb das Bild um die Wende des 16. und
17. Jahrhunderts und Hess es nach Prag bringen. Später verfiel
das Werk der Missachtung, vielleicht, weil beträchtliche Schäden
der Erhaltung immer bedenklicher wurden. Es wurde aus den
kaiserlichen Sammlungen anscheinend ausgeschieden und gegen
Ende des 18. Jahrhunderts für das Prämonstratenser Chorherrenstift
Stratov käuflich erworben. Der Zustand der Tafel ist heute
sehr traurig. Eine tief eingreifende und ungeschickte „Restaurierung
" hat namentlich die Mittelgruppe arg entstellt. Die
Köpfe der Gottesmutter und des Christkindes sind ganz und
gar neu.
3. Dürer: Die Ansicht von Trient. Diese höchst malerische
und gross gesehene Stadtansicht hat Dürer ausgeführt, da er
über den Brenner nach Italien zog. Die wichtige Frage, ob er
diese und die nah verwandten Landschaftsstudien aus der Alpengegend
schon 1495 oder erst i5o5 auf der zweiten, besser beglaubigten
Reise nach Italien aufgenommen habe, muss wohl
zu Gunsten der früheren Reise beantwortet werden. Viele
Anhaltspunkte sprechen dafür, dass der Meister auf seiner ersten
Alpenfahrt mit grösserer Müsse bei der Betrachtung landschaftlicher
Merkwürdigkeiten verweilt habe. (Vergl. den Text S. 2.)
Das oben auf unserer Zeichnung geschriebene Wort lautet:
,,Tri(e)ent." Die Studie, deren Reiz unsere farblose Abbildung
nur unvollkommen wiedergiebt, ist in kräftigen, vorwiegend
blauen Tönen, mit schweren Deckfarben ausgeführt.
4. 5. Raffael: Der wunderbare Fischzug (Berufung Petri,
Ev. Luc. 5, 7). In der Sixtinischen Kapelle hatte Papst Sixtus V.
die Wand unter den Fenstern von den ersten Künstlern des
ausgehenden Quattrocento mit Parallelszenen des Alten und
Neuen Testamentes schmücken lassen; die Decke war unter
Julius II. zum Schauplatz der mächtigen Schöpfungsgeschichte
durch Michelangelo geworden; Leo X. wollte den Sockelstreifen
der Wand mit dem Leben der Apostel schmücken lassen und
so den Kreis der schmückenden Darstellungen auch inhaltlich
schliessen. Es sollte auf das Prachtvollste geschehen. In Brüssel
wurden nach Kartons Raffaels golddurchwirkte Teppiche gewebt,
die am Stephanstage 1519 zum erstenmal zu sehen waren. Da
die Teppiche bei allem Glänze der Komposition Raffaels insbesondere
die Zeichnung Raffaels stark vergröbert zeigen, haben
die Kartons fast allein authentischen Wert, auch wenn in ihnen,
wie in allen Werken seiner letzten Jahre, der Anteil der Schüler
gross war. Ihnen fällt im einzelnen manche Rohheit der Typen
zur Last, aber der Wurf des Ganzen, die Idealität der Komposition
, die Wucht und Wahrheit der Geberden, der klare
Ausdruck können nur von dem Meister selbst ausgegangen sein.
Von den Kartons haben sich nur sieben erhalten; sie waren in
Brüssel zurückgeblieben; dort hat sie Rubens gefunden und für
Karl I. von England erworben. Seitdem waren sie in verschiedenen
Schlössern aufbewahrt, zuletzt in Hampton Court.
Jetzt umschliesst ein langer Saal im South Kensington Museum
die „Parthenon-Skulpturen der neuen Zeit".
6. Homer. „Von einem wirklich überlieferten Bildnis kann
natürlich keine Rede sein; die Kunst hat diesen Kopf allein geschaffen
. Ich gestehe, dass mir gar nichts eine höhere Idee
von der griechischen Skulptur giebt, als dass sie diese Züge
erraten und dargestellt hat. Ein blinder Dichter und Sänger,
mehr war nicht gegeben. Und die Kunst legte in Stirn und
Wangen des Greises dieses göttliche geistige Ringen, diese Anstrengung
voll Ahnung und dabei den vollen Ausdruck des
Friedens, welchen die Blinden gemessen." (Burckhardt, Der
Cicerone, S. i53.) Dieses Werk ist, wenn auch für Aeusserlich-
keiten der Darstellung vermutlich nicht ohne Einfluss älterer
Bilder des Dichters, so doch in der Hauptsache, in dem geistigen
Ausdruck, ohne Zweifel Original, aus der hellenistischen Kunst
hervorgegangen, zu gleicher Zeit, als die gelehrte Forschung
in die Homer-Studien ihre ganze Kraft einsetzte und für das
Epos die uns überlieferte Form feststellte. Von dem grossen
Zuge, in dem der Schöpfer dieses gewaltigsten Charakterporträts
des Altertums die Form gebildet hatte, hat unter den zahlreichen
erhaltenen Repliken der Kopf in Sanssouci vielleicht am meisten
bewahrt. Leider ist er nicht ganz ohne Verletzungen; man sieht
an der Abbildung, dass die Nase und ausser anderen kleineren
Beschädigungen auch Teile der Augen ergänzt sind.
7. Daubigny: Frühlingslandschaft. Das Bild ist dem „Frühling"
von i85q im Louvre durchaus ebenbürtig. Glänzend repräsentiert
es in der Nationalgalerie den jüngsten unter den grossen Meistern
von Barbizon und denjenigen, der von allen am meisten Maler
ist. Er ist auch der naturwahrste von ihnen, wennschon seine
Landschaften für ein von den Impressionisten verwöhntes Auge
ein etwas schweres lichtloses Grün haben. Innerhalb der gewählten
Farbenskala herrscht aber vollendete Harmonie und
eine Feinheit der Lufttönung, die fast ohne lineare Unterstützung
eine überzeugende Raumtiefe schafft. Der Himmel ist ganz mit
der Spachtel hingestrichen, breit und wirkungsvoll. Davor stehen
duftig und wie hingehaucht die dünnbelaubten Frühlingszweige
und die rötlichen Apfelblüten. Der Vortrag ist von höchstem
Geschmack. Das lustwandelnde Liebespaar, das die Erinnerung
an Musset'sche Romantik weckt, erscheint auf den ersten Blick
überflüssig. Aber die paar kräftigeren Farben, vor allem das
starke Weiss im Kleid des Mädchens heben sehr die Weichheit
und Lockerheit der übrigen Töne.
8. Nonomura Ninsei: Koro (japanisches Räuchergefäss)
in Gestalt der Dichterin Ono no Komachi. Aus sehr
hartem Steinzeug, sehr dünnwandig modelliert, die nackten
Teile unglasiert in der grauen Naturfarbe des Thones, Gewand
und Hut glasiert, ebenso die Augen und der grünbetupfte Untersatz
. Die Figur ist abhebbar, im Untersatz brennt auf einem
Aschenbecher das Räucherwerk, der Rauch entweicht durch
Löcher im Mantel der Figur. Dieses kleine Kunstwerk ist des
Namens würdig, den ein eingedruckter Stempel als den seines
Verfertigers nennt, jenes Ninsei, der im 17. Jahrhundert als Begründer
vieler Oefen der Kaiserstadt Kioto auftritt, durch die
Anwendung von Schmelzfarben das Verfahren der Töpfer bereichert
und als Künstler neben dem etwas jüngeren Kenzan
in unbestrittenem Ruhm bei seinen Landsleuten steht. Sein
Name wurde und wird zur Bezeichnung unzähliger Töpferarbeiten
jüngerer Zeit benutzt, sodass es beim jetzigen Stande
unseres Wissens unmöglich ist, in jedem Einzelfalle das Ur-
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