http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_museum_11/0079
Rauch.
(1777-1857.)
Der monumentalen Skulptur brachten die letzten
Jahrzehnte in Deutschland goldenen Boden.
Mit dem deutschen Reich hat eine neue Epoche in
ihrem Wirken begonnen, anderthalb Dezennien nach
dem Tode dessen, der ihr während eines halben
Jahrhunderts das Gepräge gegeben hatte: Christian
Daniel Rauchs. Sein Denkmal Friedrichs des Grossen
ist hierdurch kunsthistorisch
zu einem
Markstein in der Entwicklungsgeschichte
der deutschen Plastik
geworden. Unwillkürlich
misst man
an ihm die Monumentalwerke
der Gegenwart
, und bei dieser
Kritik rückt auch der
Mafsstab selbst wieder
in schärferes
Licht.
Rauchs Stellung
in seiner eigenen
Zeit kann freilich eine
neue Beleuchtung
kaum noch empfangen
. Zwischen Thor-
waldsen und Gottfried Schadow überschreitet er die
Schwelle des neunzehnten Jahrhunderts, aber in seinem
Wirken gehört er diesem unmittelbarer an, als sie.
Thorwaldsen, der Meister der schönen Form, bleibt
der nachgeborene Hellene im Sinne Winckelmanns;
Schadow steht noch schwankend zwischen den traditionellen
Idealen der Antike und der Wirklichkeitsforderung
einer nationaldeutschen Kunst. An Rauch
trat die letztere schon beim Beginn seiner Künstlerlaufbahn
mit einer der schönsten Aufgaben heran.
Volkstümlich war die Gestalt der Königin Luise,
Rauch, Königin Luise. (1812)
Marmorstatue im Mausoleum zu Charlottenburg.
und ein treues Bildnis der geraubten Lebensgefährtin
wollte der König, der so ganz persönlich „mit dem
Herzen sah". Aber auch ein Monumentalwerk galt
es, in dem noch die Nachwelt den strahlenden
Schimmer erkennen sollte, welcher die reale Erscheinung
dieser Fürstin bei ihrem Volke umwob.
Rauch hat beiden Forderungen genügt. Er gab
weder eine Abschrift
der Natur, noch eine
rein idealistisch verflüchtigte
Dichtung,
— beides lehrt die
Totenmaske — er
bietet die Wirklichkeit
in einer künstlerischen
, echt plastischen
Verklärung.
Er blieb wahr, aber
ohne die Nüchternheit
, von welcher sich
Schadow als Realist
nur selten zu befreien
vermag; er verklärte
die Wirklichkeit, aber
nur innerhalb schlichter
Würde, ohne
effektvolle Absicht,
ohne die leiseste Spur sinnlichen Reizes, die Canova
niemals ganz missen kann; er schuf echt plastisch,
aber ohne die Loslösung von der Menschheit seiner
ureigenen Zeit, die in den Schöpfungen Thorwaldsens
den Griechen weichen musste. — Rein erklingt
schon in dieser Jugendarbeit der Grundton, der
Rauchs ganzes Lebenswerk beherrschen sollte; in
doppeltem Sinn eröffnet sie den Ausblick auf die
Höhepunkte in seinem bildnerischen Schaffen. Das
Bild der Königin, voll Liebreiz und Seelenadel,
konnte dem Künstlersinn nicht mehr entschwinden.
53
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_museum_11/0079