Augustinermuseum Freiburg i. Br., 1009/11
Das Museum: eine Anleitung zum Genuß der Werke bildender Kunst
Berlin, 11. Band.[1911]
Seite: 55
(PDF, 164 MB)
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Menge stehen sollen. Ja, seine Statuen scheinen
dies selbst zu wissen. Würdig ist ihre Haltung,
überall ist ein Moment gewählt, in dem sich die
Persönlichkeit als solche fühlt. Aber es ist stets
ein Augenblick statuarischer Ruhe, kein blitzschneller
Uebergang von Bewegung zu Bewegung, wie „auf
des Messers Schneide". Sein „Blücher" in Berlin
gleicht einem Felsen, nicht, wie die Conde-Statue
zu Versailles, einem Gewittersturm. — Monumentale
Ruhe wahrt Rauch auch bei der schwersten Aufgabe
der Denkmalplastik: dem Reiterbild. Schon in
dieser Hinsicht ist das Friedrichsdenkmal ein Meisterwerk
(vgl. Taf. in. 112). Ein Moment ruhiger Vor-
wärtsbewegung ist in glücklichster Weise verewigt.
Und wie bei der Statue der Königin Luise ist hier der
Geist antiker Plastik in den Dienst volkstümlichdeutscher
Kunstweise getreten. Rauch hat neben
Menzel das Bild Friedrichs des Einzigen für alle Zeiten
geschaffen, ganz ohne die von der Antike so oft erborgte
Imperatorenherrlichkeit. Königlich überragt diese Gestalt
alle ihre dem Original so viel treueren Ebenbilder
von der Hand Chodowieckis. Ein Herrscher
ist es, ein Herrscher bliebe es, auch ohne den drapierten
Hermelinmantel, aber es ist doch in jedem
Zug das volkstümliche Bildnis des alten Fritz.
Etwas Erde ist, wie Hebbel prächtig sagt, an den
Stulpstiefeln haften geblieben, „und gerade dies bischen
märkische Erde erhält den grossen König lebendig."
— Und lebendig bleibt durch dieses Denkmal auch
die ganze Friedericianische Zeit. Das Postament
singt und sagt von ihr, als eine „monumentale Ode",
die unter den Denkmälern nicht ihres Gleichen hat.
Und dennoch ist auch dieses Postament ein Kom-
promiss, bei welchem der Schwerpunkt ausserhalb
der künstlerischen Machtsphäre lag. Ueber die Wahl
der an diesem Sockel darzustellenden oder nur zu
nennenden Persönlichkeiten musste ihr geschichtliches
Verdienst entscheiden, nicht die künstlerische
Brauchbarkeit ihrer Gestalten. „Gegebene Personalien
, sämtlich von einem Friseur mit gleicher

Lockenzahl über dem Ohr frisirt, kein anderes Attribut
als Degen, Pallasch und Husarenhieber" — das
war, wie Rauch selbst klagt, das Hauptsubstrat für
seine Phantasie! Die schwer erkämpfte Einführung
der „Civilisten" in die Reihe der Sockelfiguren hatte
daher nicht nur das Recht des Geistes für sich,
sondern auch das der Kunst, und ebenso war die
Verwertung allegorischer Idealfiguren und halballegorisch
gehaltener Reliefs nicht nur als Akt der
Pietät den Anschauungen Friedrich Wilhelms III.
gegenüber erwünscht. Damit aber waren der Gestaltenreichtum
des Sockels und der Wechsel seines
Mafsstabes gegeben, damit unberechenbare Gefahren.
Rauch hat sie alle soweit überwunden, wie sie überhaupt
überwindbar sind. Das bleibt eine staunenswerte
Leistung. Im letzten Moment der halbhundertjährigen
Geschichte dieses Denkmals schiessen die schönsten
Strahlen zusammen, mit denen Künstlerphantasie die
hier gegebenen Probleme gelegentlich erleuchtet hatte.
Die besten hatte Rauch selbst gespendet: die geniale
Anordnung der vier Eckreiter, die Teilung in zwei
ungleiche Stockwerke, die Abfasung der Ecken, die
glückliche Verbindung von Poesie und Geschichte, den
meisterhaft bemessenen Reliefstil. So wurde das Friedrichsdenkmal
nach langen Wirrungen nicht die Tragödie
, sondern die Sonnenhöhe seines lichten Lebens.

Keine titanische Kraft waltet hier, die Allen
voran ganz neue Bahnen eröffnet. Wie das Friedrichs-
Denkmal, so steht Rauch selbst nicht am Anfang,
sondern am Ende einer Kunstepoche, an der Grenze
der Zeit, die im deutschen Kultur- und Geistesleben
mit Winckelmann anhebt und in Goethe gipfelt. Den
Geist der griechischen Plastik hat Rauch vielleicht zum
letzten Male in den Dienst national-deutscher Kunst
gestellt, mit seltenem Gefühl für formale Anmut.
Und er vollführte diese Mission kraft einer Eigenschaft,
welche der deutschen Monumentalbildnerei bei ähnlich
grossen Aufgaben fürder vielleicht am längsten
mangeln wird: in einem harmonischen Gleichgewichte
zwischen Wollen und Können.

Alfred Gotthold Meyer.

Fra Giovanni da Fiesole genannt Fra Angelico.

(1387—1455.)

w

enn von einem Maler des Quattrocento Kunstwerke
in grosser Zahl auf unsere Tage gekommen
sind, so darf man ohne Zweifel den Rück-
schluss ziehen, dass es zu allen Zeiten Menschen gegeben
hat, welche dieselben wert hielten und Sorge
getragen haben für ihre Erhaltung. So verstehen
wir am allerersten, warum von dem Dominikanermönch
, dessen Leben hauptsächlich in den Klostermauern
zu Fiesole und von S. Marco zu Florenz
still dahinfloss, noch heute so zahlreich Bilder und
Fresken vorhanden sind. Immer hat die schlichte
Frömmigkeit seiner Figuren und der Reiz der Anmut
, der über ihnen ruht, entzückt: die Kunstverständigen
wegen der hohen Qualitäten, die Laien,
weil das tiefe religiöse Gefühl in diesen Werken
jeden anziehen muss.

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