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Martin Schongauer als Maler.
(Um 1445—1491.)
Die Werke deutscher Maler und Bildschnitzer des
fünfzehnten Jahrhunderts setzen zur Würdigung
ihrer Bedeutung, zum Genuss ihrer Schönheit
eine Schulung des Blickes und des Kunsturteils
voraus, die man nur durch
historisch vergleichende,
aufmerksame Betrachtung
erwirbt. Ihr erster
Eindruck befremdet und
enttäuscht nicht selten
den Beschauer, dessen
Auge eingestellt ist auf
die gefällige Formensprache
, die Linienschönheit
und den Farbenreiz
vorgeschrittener Kunstepochen
. Wer aber einmal
den Weg gefunden'
hat zu der gemütstiefen
Innenwelt, zu der ehrlichen
Schlichtheit und
Treue, die in diesen spröden
und herben Formen
nach Ausdruck ringt, den
fesseln die oft linkischen,
stets aber innerlich belebten
Gestalten der deutschen
Altmeister mehr
und mehr, zumal wenn
sich der eindringlichen
Betrachtung die Erkenntnis
gesellt, dass die Keime
der mächtigen Kunstentwicklung
, deren Träger
ein Dürer und Holbein
Martin Schongauer,
München, Alte
Auf Holz, h. o
im sechzehnten Jahrhundert waren, in so unbeholfenen
Anfängen beschlossen liegen. Zudem übt das Kindliche
, Primitive seinen stärksten Reiz in den Epochen
überfeinerter künstlerischer Kultur. Gleichwohl wäre
es falsch, die deutsche Kunst des fünfzehnten Jahrhunderts
durchaus nur unter diesem Gesichtswinkel betrachten
zu wollen. In gewissem Sinne stellt sie vielmehr
den Abschluss jener umwälzenden Bestrebungen
dar, deren Schauplatz die burgundischen Niederlande
seit dem Beginn des Jahrhunderts gewesen. Gerade
Martin Schongauers
Stil zeigt ein so festes,
unzweideutiges Gepräge,
dass das Schlagwort von
den tastenden Versuchen
einer neuen Zielen zustrebenden
Kunstrichtung
sein Wesen nur unzureichend
kennzeichnet.
In der oberelsässischen
freien Reichsstadt Colmar
als Sprössling einer aus
Augsburg eingewanderten
Familie um 1445 geboren
, erlernte er wohl bei
seinem Vater das Goldschmiedehandwerk
, das
mit der damals jung aufblühenden
Technik des
Kupferstichs aufs engste
verknüpft war, und die
Malerei. Im Jahre 1465
finden wir seinen Namen
in die Matrikel der Universität
Leipzig eingetragen
. Ob ihn die Lehr-
und Wanderjahre nach
den Niederlanden und in
die Werkstatt Rogers van
der Weyden in Brüssel
geführt haben, ist zweifelhaft
. Dass aber die Werke des genannten Brabanter
Meisters seine künstlerische Richtung stark bestimmt
haben, lässt sich durch zahlreiche Anklänge namentlich
auch in der Bildung seines Madonnentypus,
erweisen. Schongauer dankt seinen Nachruhm in
erster Linie der Meisterschaft in der Handhabung
Heilige Familie
Pinakothek.
26, br. 0.17.
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