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Daniel Chodowiecki als Manierist und als Künstler.
D
IE Ueberschrift dieses Aufsatzes
soll keinen Verehrer des liebenswürdigsten
deutschen Künstlers im
vorigen Jahrhundert erschrecken, und
keinen von denen, die ihn unterschätzen
, glauben lassen, dass seinem
abfälligen Urteil hier das Wort geredet
wird. Ein rechter Meister verträgt
eine unbefangene, selbst eine strenge
Kritik, denn sie entwickelt ja doch aus einer minderwertigen
Schale seinen tüchtigen Kern, und Tüchtigkeit
muss trotz aller sie begleitender
Mängel mit Freuden
anerkennen, wer den
Kampf der Künstler in den
Strömungen ihrer Zeit beobachtet
. Besonders schwer
gegen ein triviales Schicksal
und, in seltsamem Gegensatz,
gegen seine eigene Ueber-
zeugung hatte der Mann zu
ringen, dem die folgenden
Zeilen gelten. Er zeigt uns
deutlicher als andere die Gefahren
, die dem Talent durch
Convention und Vorurteil
erstehen.
Daniel Chodowiecki, 1726
als Sohn eines protestantischen
, polnischen Kornhändlers
in Danzig geboren
und unter dem Einfluss seiner
Mutter, die von Refugies
aus der Schweiz abstammte,
in einer fast ganz französischen
, übrigens in der
Malerei dilettierenden Umgebung
aufgewachsen, kam
1743 nach Berlin, um in dem Quincailleriegeschäft
eines Oheims zu arbeiten und unter dessen Führung,
wiederum umgeben von Franzosen, die Email- und
Miniaturmalerei für den Handel zu erlernen. Als
sein Talent dann allmählich ans Tageslicht trat, erhielt
er besseren Unterricht; zwar nicht in der gänzlich
heruntergekommenen Königlichen Akademie der
Künste, deren Gebäude übrigens auch gerade damals
abgebrannt war, und zwar auch nur Unterricht im
Emaillieren, aber doch von einem Mann, Haid aus
Augsburg, der -ihn durch anregende Gespräche und
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Chodowiecki
Illustration zu Nicolai, Seb. Nothankcr. Radierun
durch die höheren Ansprüche, die er stellte, auf
einige Begriffe von echteren Kunstleistungen brachte.
Wenn er nun in seinen freien Abend- und Nachtstunden
dem unklar erfassten Ideal, ein Historienmaler
zu werden, mit heissem Bemühen nachtrachtete,
indem er Aktfiguren nach akademischen Studien-
blättern zeichnete, gute Kupferstiche kopierte, gelegentlich
auch mit Farben nach dem Modell und
aus dem Kopfe malte, so blieb dieses ganze Treiben
aber doch nur eine verbotene, höchstens widerwillig
gelittene Nebenbeschäftigung, und je mehr er als
Familienvater (seit 1755)
darauf bedacht sein musste
zu verdienen, desto blühender
entwickelte sich seine
Verfertigung und Lieferung
von Emaillen und Miniaturen
, die denn allmählich so
fein wurden, dass sie für
goldene und mit Brillanten
besetzte Dosen und dergl.
verwendet wurden und allenfalls
auch dem königlichen
Hofe angeboten werden
konnten. Natürlich waren
solche Arbeiten, durch ihre
Verbindung mit koketten Gebrauchs
-Gegenständen und
durch ihre Abhängigkeit von
der Mode, nichts anderes als
mehr oder minder graziöse
Nachahmungen der weit vollkommeneren
französischen
Waren, und selbst seine
Bildnisse, deren Originale
doch meistens deutsche Züge
trugen, waren
Berliner Predigertrachten.
auf diesen
Emaillen oder Miniaturen
nach französischer, herkömmlicher Weise aufgefasst;
hier und da vielleicht etwas naturalistischer, als ein
Franzose es würde gethan haben, aber immerhin
mit den gleichen Wendungen, dem berechneten Blick
der Augen, dem nachdrücklichen Lächeln in den
Mundwinkeln und der oft so fatalen Repräsentationsmiene
.
Ein Künstler mit einem Entwickelungsgange wie
der soeben geschilderte, und vollauf beschäftigt mit
der Herstellung von Dutzendwerken und von Nippsachen
als Broterwerb, musste doch wohl unrettbar
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