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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/der_hinkende_bote_1941/0065
Novelle von Maria-Felice.

Sie war im ganzen Dorfe unter diesem
Namen bekannt. Es fiel keinem Menschen
ein sie anders anzureden, und wenn
man von ihr sprach, musste man ihr übel
oder wohl den allgewohnten Titel lassen
, sonst hätte die jüngere Generation
gar nicht gewusst, wen man meine.

Tante Gote war so etwas wie ein Erbstück
, das, engverbunden mit dem Vaterhaus
, mit diesem an den jeweiligen Besitzer
überging. Sie hatte sich nie ent-
schliessen können, sich selbständig zu
machen. Erst waren die Eltern, welche,
nachdem die Geschwister eines nach
dem andern sich ein eigenes Nest gebaut
hatten, ihrer Pflege bedurften. Es wäre
ihi fast wie ein Verbrechen vorgekommen
, Vater und Mutter gleichgültigen
Dienstbotenhänden zu überlassen.

Wohl hatte der ältere Bruder die Führung
des landwirtschaftlichen Betriebes
übernommen, und seine Kran wäre bereit
gewesen den Haushalt gemeinsam zu
führen, aber der Vater hatte nicht gewollt
. « Wir wollen gute Freunde bleiben
j>, meinte er, « alt und jung pas«t
niehl immer gut zusammen, und im oberen
Stock ist Platz genug für uns.»

Die ledige Tochter wartete dann dem
Vater und der Mutter ab und half auch
unten mit, wenn es gerade nottat. Und

k) Gote = Patin.

als die Kinder kamen, erhielt sie auch
ihren Namen : « Tante-Gote.>

Mit den beiden alten Leuten war sie
alt geworden, — vielleicht vorzeitig. . . .
Hatte sie doch mit ihnen die kleinen und
grossen Sorgen der ganzen Familie getragen
. . . . Und die oft so drückende
Last des Alters. . . .

Sie hatte eine selten treue Seele, die
Tante-Gote. In guten und schlimmen Tagen
hatte sie auf ihrem Posten ausgeharrt
, ohne je ein Wort des Dankes zu
hören, ohne je einen warmen Hauch von
Liebe um sich zu fühlen. ... Es war ja
so selbstverständlich, dass sie für alle da
war und für sich selbst nichts beanspruchte
. . . .

Jahrelang hatte sie die Eltern umsorgen
dürfen, aber zuletzt stand sie doch
allein.

Es war niemand im Dorfe, dem es in
den Sinn gekommen wäre, der Tante-
Gote etwa teilnehmend die Hand zu
drücken. So alt waren ja die Leutchen,
so alt. ... In solchem Fall musste ja das
Sterben geradezu eine Erlösung sein. . . .
Und so etwas wie eine Erleichterung für
die Tante-Gote. . . .

Sie hatte es ja wirklich schwer gehabt
die letzten Jahre. Der aufreibende Krankendienst
und die vielen schlaflosen
Nächte standen ihr nur allzu deutlich auf
dem müden Gesicht geschrieben. . . .


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