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Mohr und mehr sank der Abend. Draus-
BCn tanzten die Flocken richtig um die
Wette. Ein Schlitten hielt vor der Wirtschaft
. « Das ist ja schon der Walter, »
meinte aufschauend die Kathrin, öffnete
die Tür : « Stell' den Schlitten unter den
Schopf, Walter, 's ist dort windstill.
Willst ja doch nicht gleich weiter ! »
« Durst hat's schon gegeben, » lächle
der indere, « der Nordwind trocknet aus,
und dazu noch der Mehlstaub in der
Mühle ...»
« Ihr Mannsleut' habt ja immer Durst,»
fiel die Kathrin ein.
« Kathrin, bringt mal einen Liter und
ein Glas, der heischt, der Steingrübler.
\\ enn man von dem hundert Jahre trinkt,
wird man alt. » Und der Jerry schlürfte
behaglich den goldgrünen Tropfen...
Durch die Seitentüre kam die Annette.
Schlank gewachsen, rot die Wangen, dunkel
die Augen, ein prächtiges Mädchen.
« Jumpfer Annette ! », riefen die Zwei.
« Den Christian darf man schon beneiden
, meinte der Jerry, « wär' ich jünger
gewesen — »
« Ihr seid immer der gleiche ! », lachte
das Mädchen.
« Csundheit, Jumpfer Hochzeiterin ! »,
der Walter. Sie tranken ihr zu. Drauf der
\\ aller : « Annette, weissi du 's schon ? »
Was denn ? >, neugierig das Mädchen.
« Einen Schoppen kostet die Neuigkeit
! , blinzelte der Jerry.
« Abgemacht. Also ...»
« Der Christian ist unterwegs. Traf ihn
bei der \1 üble ...»
« Da ISl er schon , rief die Kathrin
an ihrem Spinnrad. Der Christian stand
unter der Türe, die Annette flog ihm entgegen
.
« Jetzt können wir auf unsern Schoppen
warten . lachte der Jerry.
Der Christian grüsste die Kathrin und
die Zwei. < Ihr kommt von weil ? », fragend
die Löwenwirtin.
<v War im Tal drohen, in Hochdorf.
Kniehoch liegt der Schnee. Hab" so was
höchstens im Pfirter Land erlebt. Da hat's
vor zwei Jahren mal so geschneit. »
Die Annette kam mit einer Tasse Wein :
« Christian, der wird dir gut tun. »
« Ja, der Christian — », lachte der
Jerry. « und unsern Schoppen hat sie — »
« Den sollt ihr haben », rief die Annette
, « wärmen braucht man ihn ja nicht, »
lachte sie.
« Wenn wir Dich anschauen, Annette,
wird's uns ganz warm — »
< Und dazu so einige Schoppen, gelt »,
schlagfertig die Annette.
Der Christian schlürfte behaglich den
dampfenden Wein.
« Viel Leut' habt Ihr wohl nicht getroffen
? »
« Grad den Doktor, der war bei einem
Kranken in Hochdorf. »
Der Franz, gut, dass sie ihn haben »,
drauf die Kathrin.
« Wohnt der schon lange hier ? », fragte
der Christian.
« Na so vier, fünf Jahre. War in Rebweiler
, hat aber hier das Vaterhaus und
liess sich drum hier nieder. Ein Sonderling
. Sucht alle Bilder, seltene Steine,
alte Papiere, weiss der Teufel was », erwiderte
die Kathrin.
«Weiss \i<vl von früher her. Hat mir
heut erzählt von den Schweden, und wie
s war. als die Kosaken kamen und sich
bei Heiligkreuz schlugen. Und von Vau-
ban und seinem Kanal ...»
«Und wenn eins krank, ist er immer
da, nickend der Walter.
Ein Laden schlug krachend zu. An der
Türe rüttelte der Sturm, johlte über den
Hof, pfiff um das Haus.
« Ihr habt kalte Winter, » meinte der
( hristian.
« Nicht alle Jahre. Wachtmeister, seit
dem Polenwinter hatten wir keinen solchen
mehr . entgegnete die Kathrin,
damals trug der Kahlen Wasen seine
weisse Kappe von Allerheiligen ständig
bis an den J er gentag. Um Weihnachten
war die Kälte am schärfsten. »
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