Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., J 3307,mb-266.1952
Der hinkende Bote
Colmar, 266. Jahrgang.1952
Seite: 110
(PDF, 28 MB)
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Taschenlampe, da und dort hingen
schwarze Klümpchen wie teige Birnen,
Fledermäuse waren's. Zaghaft, stumm
schritt ich hinter dem Vater her. Am
Ende der Kirchenbühne machte er halt,
zog das Seil über eine Rolle, band an
das eine Ende des Strickes einen
schweren Stein und stiess das andere
Ende durch eine Öffnung im Boden.
« So, nun hältst du den Stein hoch !
Bist noch zu kurz, wart, ich lege dir
einen Stein unter die Füsse. So, nun
hältst du den Stein über deinem Kopfe,
bis ich unten dreimal am Seil zuple. »

Hände hoch, wie lange ? Wie stach
der beizende, atembeklemmende Geruch
des Fledermauskotes in die Nase !
Schauerlich hallten Vaters Schritte, als
er die lange Bühne durchschritt und
mich allein in fast völliger Nacht zu-
rückliess. Ich wollte ihm nachblicken;
aber der Stein über meinem Kopfe . ..
Ein wenig zur Seite konnte ich schauen.
Neuer Schreck — da leuchteten wieder
zwei Punkte hell auf, erloschen, glänzten
wieder. Ein Gedanke fuhr mir blitzschnell
durch das Bubenhirn : Sollte
der Mann dahinten eine elektrische Leitung
... auf einen elektrischen Knopf
drücken ... ? Ich lauschte —- nein, ich
hörte den Schrecklichen nicht näher
kommen. Da wuchs mein Mut. Vaters
Schritte Hessen nun die alte, steile
Treppe im Turme knarren. Welch lange
Zeit bis er unten war, das Kirchenschiff
durchschritten und die Ampel befestigt
hatte ! Meine Füsse begannen, im Takte
von Vaters Schritten zu treten, das
lenkte ab. Aber da fingen meine jugendlichen
Arme unter der Last an zu
ermüden, die Muskeln begannen leicht
zu zittern, und ich fragte mich, ob mir

der Stein wohl auf den Kopf oder auf
die Füsse fallen würde, wenn... Da
zupfte es am Seil, ja, mein Vater hatte
sich beeilt, wie wusste ich ihm Dank
dafür! So langsam sich der ominöse
Stein senkte, so schnell trugen mich
meine Beine dem Ausgang zu. Aber —
da stand « er » ja noch, stumm und unbeweglich
. Hatte er mich die lange Zeit
hindurch nicht bedroht... Mutig schritt
ich ihm entgegen : Es war ein altes
Heiligenbild, von dem niemand wusste,
von wem und wann es dahingestellt
worden war. Elektrischer Knopf und
Leitung ? Keine Spur! Mir dämmerte
es : Zwei Eulenaugen hatten mir den
Spuk gespielt! Aber die Erlebnisse dieses
Morgens behielt ich für mich, und
in meinen alten Tagen bereitet es mir
Vergnügen, von meinen « Heldentaten »
zu erzählen. Denn bald folgte die dritte.

Da ging ich schon lieber mit. Erstens
kannte ich jetzt die Geheimnisse der
Kirchenbühne und das Unsinnige selbstquälerischer
Vorstellungen. Zweitens
Hess mich Vaters Lob nach der zweiten
« Vorstellung » und eine Reise zu Onkel
und Tante auch für diesmal eine
entsprechende « Entschädigung » erhoffen
. Aber — alles muss verdient sein,
und so stiegen wir eines Tages im
Glockenturm noch höher als bis zur
Uhr. «'Der eine Zeiger geht falsch»,
erklärte mir mein Vater unterwegs,
« den wollen wir jetzt einrenken ». Auf
schmaler Treppe kamen wir bis zum
Glockenstuhl, eine neue Welt für mich,
die grossen Glocken, die schweren
Klöpel und — die « Raffeln », die langen
Kisten, auf welche vier oder fünf Hämmer
trommeln, um an den Leidenstagen
der Karwoche die Gläubigen zum Got-

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