Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., J 3307,mb-268.1954
Der hinkende Bote
Colmar, 268. Jahrgang.1954
Seite: 72
(PDF, 29 MB)
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2

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3Z

« Ich brauche Geld, Mutter — Geld,
sage ich ! » Drohend hob der Sohn die
Hand gegen seine Mutter.

«Woher soll ich's denn nehmen,
Junge ? Ach, wenn das dein Vater
sähe ! Ich bitte dich, geh heute nicht
mehr aus ! »

« Red' kein blödes Zeug ! Ich brauche
Geld ! » Er knurrte gereizt. Als sie
seine Hände fassen wollte, stiess er sie
barsch von sich.

Sie brach in Tränen aus. Der Sohn
stürmte in die Nacht fort und zechte
im Kreise liederlicher Kumpane. Wer
mochte das bezahlen ? Als es graute,
torkelte er in seine Stube, packte seinen
Koffer und verschwand im Morgennebel
— für immer. Wie der Verlorne
Sohn schlich er von dannen.

Vergebens rang die Mutter mit Gott.

Irgendwo — in der Großstadt —
hauste Charles Link. Er ergab sich dem
Trunk und machte dunkle Schiebergeschäfte
. Seine Gesellschaft wurde
immer verkommener. Schliesslich nächtigte
er bloss im Asyl, zuweilen bettelte
er gassauf, gassab, um sich ein
Stück Brot kaufen zu können.

An Charles Link dachte in der Hei-

Mutter!

mat niemand mehr. Auch seine Freunde
vergassen seiner. Nur seine Mutter
blickte oft stundenlang durchs
Fenster, als müsste Charles plötzlich
heimkehren. Sollte ihr Sohn wirklich
verloren sein ? Wie gerne hätte sie
ihm noch ihren Muttersegen gespendet
! Das Letzte, was sie aus seinen
Händen empfangen hatte, war ein
Stoss vor die Brust, als sie das Geld
verweigerte...

Das Schicksal des Sohnes verzehrte
die schlichte Frau. Sie wurde bettläg-
rig und konnte sich nichts mehr verdienen
. Man schaffte sie ins Armenhaus
. Ein paar Wochen später starb
sie.

Das Totenglöcklein klagte, und viel
Volk schritt hinter dem Sarg der Mutter
her. Der Priester erinnerte in seiner
Grabansprache an das vierte Gebot
.

Einige Tage später geschah etwas
Merkwürdiges : im Obdachlosenheim
der Großstadt hockte Charles Link betrunken
in einer Ecke und döst vor
sich hin. Sein Gott ist die Flasche. Er
besitzt keine Kraft mehr, sich aufzuraffen
und ein neues Leben zu begin-

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