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ARNOLD BOCKLIN
Bei Anlass von Schicks Tagebuch
Als Böcklin starb, ist wohl gefragt worden,
ob er denn keine Schule hinterlasse,
und man hat allzu schnell geantwortet, das
wäre unmöglich bei einer Kunst wie der
seinigen, die so ganz bedingt sei von einer
bestimmten Individualität. Von einer Schule
kann man allerdings nicht sprechen, höchstens
von einzelnen Schülern der ihm innerlich
am nächsten stand, Sandreuter, ist nun auch
tot —, aber es ist falsch zu meinen, Böcklin
hätte als Lehrer nichts geben können. Im
Gegenteil. Er war ein ausgezeichneter Lehrer
und zwar darum, weil er sich selbst beständig
in die Schule nahm. Weil er nie. mit der
Improvisation, mit dem ersten Ausdrucke sich
begnügte, sondern den Bildgedanken so lang
verfolgte und durch alle möglichen Wandlungen
durchtrieb, bis er ganz
klar dastand und so deutlich
sprach, als er sollte. Er hielt
nichts auf Malerregeln, aber bei
jeder Wirkung fragte er nach dem
„Warum?" und überall hat er sich
bemüht, seine Erkenntnisse auf
einen allgemeinen Ausdruck zu
bringen. Der sonst so wortkarg
sein konnte, in Sachen der Kunst
war er es nie. Während der Arbeit
, angesichts eines bestimmten
Falles sprach er gern über das,
was gut und was verfehlt sei, und
über die Mittel, wie man den
Fehler korrigieren könne. Es ist
ein Glücksfall ohnegleichen, dass
dieser Meister, der so gut sprach,
auch einmal einen Schüler gehabt
hat, der nicht nur gut hörte, sondern
mit grösster Gewissenhaftigkeit
jedes Wort niedergeschrieben
hat. Das Schicksche Tagebuch gehört
zu den lehrreichsten Büchern,
die über Kunst je gedruckt worden
sind. Und dabei ist es ein besondrer
Vorteil, dass der Schreiber
nicht an das Drucken gedacht hat.
Seine Aufzeichnungen machen den
Eindruck absoluter Treue. Mit der
gleichen Sorgfalt notiert er: Böcklin
fand, ich sei langweilig, wie er
ein paar neue Rezepte für Fixative
festhält. Wenn man ihn mit Eckermann
vergleicht, so thut man,
Von Heinrich Wölfflin
(Nachdruck verboten)
glaub' ich, Eckermann Unrecht; allein er ist
interessant genug gewesen, um Böcklin zur Mitteilung
seiner Kunsterfahrungen zu bewegen.
Als die beiden sich trafen (in Rom), war
Schick fünfundzwanzig, Böcklin fast vierzig.
Es war im Jahr 1860, die Periode, wo die
,,Villa am Meer" gemalt wurde, der„Daphnis"
bei Schack, die „Viola" im Basler Museum.
Vor allem ist ausführlich von dem „Petrarca"
die Rede, der sich in Basler Privatbesitz befindet
. Nachher war Schick auch in Basel bei
Böcklin, als die Fresken im Museum und in
der Sarasinschen Gartenhalle gemalt wurden
(1868/69) und neben andern Tafelbildern die
Dresdner „Wiesenquelle" und die erste „Ana-
dyomene" (bei Heyl) entstanden.
ARNOLD BOCKLIN PAN IM SCHILFE (1855/56)
(Das Original in der Kgl. Neuen Pinakothek zu München)
Die Kunst für Alle XVII. i. i. Oktober 1901.
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