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DER WIENER HAGENBUND
bedeutende Meisterschaft in der Beherrschung
jener grauen und gelblichen Töne wie sie in
den weitgedehnten Wiesen und Heideflächen
der Donauebene sich finden. Grosse Innigkeit
spricht aus seinen Kinderbildern und
Darstellungen schlichter Menschen. Thiele ist
von den satten Farbentönen seiner italienischen
Bilder zu moderneren Beleuchtungsstudien
und dekorativen Entwürfen übergegangen
. Schiff und Germela sind zunächst
als Porträtisten zu nennen; der erstere pflegt
seine Figuren, meist Damen in eleganten
lichten Toiletten, in der Art Whistlers in
eine alles beherrschende Farbenstimmung zu
tauchen; er ist übrigens in München auch
mit ein paar brillanten Akten vertreten. Germela
wieder arbeitet in der kecken Manier
einiger Pariser Virtuosen
. Das Raffinement
der Toilette, der
Esprit in der Wahl der
Farben und Stoffe, die
pikante Haltung reizen
ihn zur Wiedergabe.
Er ist auch ein Meister
darin, Scenen aus
dem Nachtleben der
Grosstadt in kecken,,
witzigen Pastellen
festzuhalten. Von den
jüngeren Talenten
wäre noch Walter
Hampel zu nennen,
der bald Märchengestalten
von zarter
Poesie, bald intime
Stimmungen in delikater
Technik bietet;
dann der in unermüdlicher
Schaffenskraft
seine farbensatten
Phantasien ausstreuende
Erwin Puchinger
, Czeschka,
ein Illustrator von
markiger Eigenart in
Technik und Stoffwahl
, ferner der mit
schwierigen Problemen
ringende Radierer
Cossmann, Karl
Ederer, ein virtuoser
Zeichner von Tieren,
besonders solchen aus
dem Katzengeschlecht,
der Militärmaler Hol-
litzer und die meist
mit Plakatentwürfen
beschäftigten Pamberger und Comploj. Die
Medailleure und kunstgewerblich thätigen
Kräfte (es wird sich ein Anlass ergeben, sie
gelegentlich einmal in der „Dekorativen Kunst"
nach Gebühr zu würdigen) seien hier nur der
Vollständigkeit zuliebe genannt, es sind: Karl
Tautenhayn, Otto Prutscher, K. Borsdorf
und Gustav Gurschner.
Es erübrigt noch zu erwähnen, dass die
erste Ausstellung des Hagenbundes im eigenen
Hause für kommenden Januar angesetzt
ist. Nach dem schönen Erfolg, den sich
der junge Verein bei seiner ersten selbstständigen
Unternehmung in München geholt
hat, braucht ihm vor den Wiener Kämpfen
wohl nicht bange zu sein.
Dr. Ludwig Abels
hans ranzoni
thauwetter
(Wiener Hagenbund)
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