Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 5. Band.1902
Seite: 80
(PDF, 174 MB)
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WIE URTEILTE
BÖCKLIN ÜBER
MODERNE MALEREI?

Von Gustav Floerke

Entnommen aus dem soeben erscheinendem
Buche „Zehn Jahre mit Böcklin. Aufzeichnungen
und Entwürfe von Gustav Floerke".
(München, Verlagsanstalt F. Bruckmann A.-G.)

KARL EDERER
(Wiener Hagenbund)

Skizze für ein Titelblatt zu
einer zoologischen Publikation

„ . . . la fleur sans parfum de la
vie purement exterieure." A. Daudet.

Unsere Zeit der Ueberladung, des Virtu-
osentums, der Specialitäten und Ausstattungsstücke
, der allgemeinen Bildung und
populären Wissenschaft, der Prachtbücher,
Illustrationen, Photographie etc. etc., sucht
auch in der Malerei ihren Feuerwerks-, Seiltänzer
- und Konversationslexikonsgeschmack.
Sie muss staunen, sie muss die Genugthuung
haben ihr Wissen befriedigt zu sehen oder
einen Rebus gelöst zu haben. Die Einfachheit
der Kunst zu beachten hat niemand mehr
die Naivetät oder die Feinheit der Sinne.
Nicht die Kunst, sondern Kunststücke imponieren
.

Was den meisten Bildern zum Durchschlagen
verhilft, ist was ganz anderes als ihre künstlerischen
Qualitäten, denn nicht malerische
Interessen sind es, die meistens in ihnen
Befriedigung suchen.

Diese modernen, vollgestopften, „ausgeführten
" Bilder sind vielleicht gut zum Lernen,
aber nicht zum Empfinden. Der Künstler
zeigt, was er weiss, und das Publikum freut
sich um so selbstgefälliger, je mehr es ihm
in die Einzelheiten zu folgen vermag, sei es
in den Kostümen, sei es in Sitte und Einrichtung
u. s. w. Das Ganze nennt man

Kunst, resp. Kunstgenuss und freut sich, dass
die aktive und passive Teilnahme an den
bildenden Künsten immer grösser wird.

Diese modernen Figurenbild-Stilleben („historische
" i. e. Stoff- und Waffenstilleben
mit vorgeschriebenen Porträts und Aktionen)
und Landschaften wollen nur Nachahmungen
sein ihre Urheber verzichten freiwillig,
soweit denkbar, auf die eigene Gehirnmitwirkung
und das ist auch ein Glück bei
den meisten.

Das simple Bewusstsein der malerischen
Mittel, ihrer Grenzen und ihrer Ausdehnungsfähigkeit
, vor allem der Farbe als Kompositionsmittel
, sind bei den meisten verdunkelt
und ganz verdrängt durch unmalerische Nebeninteressen
, die auf ganz ausserhalb Liegendes
bewusst oder unbewusst spekulieren.

Ein Maler, der sich Historien-, Genre-,
Landschaftsmaler nennt oder schelten lässt,
ist gewöhnlich mehr Gewerbetreibender als
Künstler, oder ein Mensch, der abstrakte
Ideen mit Formen und Faltenwurf bekleiden
zu können wähnt. Denn dem Künstler gehört
die ganze sichtbare Welt der Erscheinung,
er ist mit jeder neuen Aufgabe ein anderer.
Jene ästhetischen Rangklassen existieren nicht
für den Schaffenden, sie sind gelehrten Ursprungs
.

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