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VON AUSSTELLUNGEN UND SAMMLUNGEN C^=^
die Dauer unbefriedigend. Urys Porträts, in dieser
Weise gemalt, frappieren zunächst, leiden aber an dem
gleichen Mangel. Man sieht schliesslich nur die Un-
vollkommenheiten der Zeichnung. Als Probe seiner
Versuche auf dem Gebiet der Monumentalmalerei
stellt der Künstler einen »Jeremias«; aus, dersich grimmig
-schmerzvoll auf einem Hügel gelagert hat. Das
Gelungenste an dem grossen Bilde ist ein wunderbar
luftiger Sternenhimmel, der sich hoch über den Propheten
spannt. Er giebt dem Ganzen die Stimmung
und lässt vergessen, dass der Dichter der Klagelieder,
wie alle ähnlichen Geschöpfe Urys, eine zusammengequälte
unorganische Gestalt ist. Als eigenartige
Komposition aber hat das Bild unbedingt seine Vorzüge
. Martin Brandenburg beweist in einigen
Landschaften aus Norwegen, dass den abgebrauchten
Fjordmotiven von einem ernsthaften Künstler sehr
wohl noch neue Seiten abgesehen werden können.
Wie blaue Schatten an den riesigen Bergen hinaufsteigen
, was mit einem dunklen Wrack im klaren
Wasser ausgedrückt werden kann, was ein neuer
Standpunkt für ein scheinbar triviales Motiv bedeutet
, zeigt er mit schönem, künstlerischem Erfolge.
Seine Bilder sind freilich etwas trocken in der
Farbe, aber bei aller Treue gegen die Wirklichkeit
Leistungen von sehr persönlichem Charakter und
anerkennenswerter malerischer Haltung. Bei Philipp
Klein's Arbeiten erfreut vor allem die liebenswürdige
Natürlichkeit des Ausdrucks und die frische,
gesunde Farbe. Der Künstler liebt den blauen
Sommertag, den hellen Sonnenschein und die lichten
Schatten. Lustwandelnde hellgekleidete Damen im
Walde oder auf schattigen Wegen am See, angestrahlt
von dessen Reflexen, malt er gern. Aber
auch Bauerngärtchen reizen ihn, in denen die Hühner
adolf brougier bildnis
sich sonnen; ein Bauernstübchen mit roten Betten,
dessen Bewohnerin, mit Hemd und Rock flüchtig
bekleidet, ans Fenster geeilt ist, um auf die Gasse
zu schauen; der Schwetzinger Schlossgarten mit dem
wie verzaubert in der hellsten Sonne stehenden
Rokokoschlösschen. Klein's reifste Leistung ist ein
Blick auf »die Jesuitenkirche in Mannheim« und
eine belebte Strasse zu deren Füssen. Als Freilichtschilderung
ganz hervorragend, sehr fein als Ausschnitt
und als Malerei bei aller Helligkeit so tonschön
und farbig wie man sich dergleichen nur
wünschen kann. Das lebensgrosse Freilichtbildnis
einer Dame in lachsroter Toilette hat schöne
malerische Vorzüge, lässt aber als Persönlichkeitswiedergabe
Einiges zu wünschen übrig. Der flotte,
breite, lebendige Vortrag lässt Klein mit seinen
sonstigen künstlerischen Tugenden als einen Vielversprechenden
für die Münchener Kunst erscheinen.
Von dem vortrefflichen Eduard Thöny, der im
Simplicissimus der modernen Gesellschaft so bitterlustige
Wahrheiten sagt, ist eine Reihe der besten
Zeichnungen hier zu sehen. Unter den sonstigen
Ausstellern treten die Düsseldorfer Fritz von Wille
und Robert Böninger mehr durch die Zahl als
durch die Güte ihrer Bilder hervor. Aug. Neven-
Dumont lässt sehr dunkle Bildnisse sehen, die
kaum auf mehr als auf Geschmack schliessen
lassen, Emil Rosenstand Zeichnungen, die nach
Marolds Eleganz zielen. In Robert Nau-Yahn
lernt, man einen Pariser Schmuckkünstler kennen,
der als Motive für Ringe, Broschen, Gehänge, Kämme
die Formen von Vögeln, Reptilien, Fischen und
Insekten verwendet, dessen Arbeiten sehr unbequem
zu tragen sein müssen und der von dem Glanz des
Metalls und dem Reiz schimmernder Steine wenig
zu halten scheint. — Im Salon Keller & Reiner
herrscht absolute künstlerische Ebbe. Die vorgeführten
Kollektionen von G. M. Stevens (Brüssel)
H. Hendrich, O. Goetze, Anna Costenoble,
Th. Johannsen, C. O'Lynch von Town bieten
nichts, worüber zu reden lohnte, es sei denn die
völlige Unzulänglichkeit einer stattlichen Reihe von
Bildern. Ein paar Porträts von Sabine Reicke
sehen leidlich interessant aus. In der Möbelabteilung
fällteine sehr hübsche Zimmereinrichtung im Empire-
Geschmack, helles Birnbaumholz mit schwarzen Einlagen
von Maria von Brocken auf. Verfehlt ist nur
ein Ecksopha, in dessen Rückwand in Kopfhöhe unter
Glas Stiche angebracht sind. Es muss sehr unangenehm
sein, den Kopf gegen das Glas zu legen
und dieses bei einer heftigen Bewegung vielleicht einzudrücken
. — Der Verein Berliner Künstler hat (unter
Erhöhung der Mitglieder-Beiträge) beschlossen, die
Ausstellungen im Künstlerhause doch fortzusetzen.
Es giebt jetzt dort eine Ausstellung der vereinigten
Berliner Klubs. Die Sache sieht im allgemeinen
nicht übel aus, aber da ausschliesslich Mittelgut
vorgeführt wird, fehlt es an eindrucksvoller Wirkung.
Auf solche Darbietungen wird das anspruchsvolle
Berliner Publikum — und nur dieses kommt für
die winterlichen Salonausstellungen in Betracht -
schwerlich reagieren. Von den interessanteren Berliner
Künstlern hat sich keiner beteiligt. Skarbina,
Arthur Kampf, Dettmann haben die Bilder geschickt
, mit denen sie, nicht gerade glücklich, in
Dresden vertreten waren. Im übrigen dominieren
die Bracht-Schüler, die sich leider immer mehr für
das Interessantmachen der Natur begeistern und
deren Landschaften dadurch vielfach unaufrichtig
wirken. Es ist in hohem Grade bedauerlich, dass
die Künstler sich nicht von der Einbildung frei
machen können, die Ausstellungen seien lediglich
ihretwillen da. Sie werden noch viele Ent-
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