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-^£> MAREES UND SCHACK -C^=^
ich nicht sagen, ob ich wirklich vier Bilder
bis dahin vollenden kann.
Vertrauend, mir, wenn auch langsam,
doch schliesslich Ihre Zufriedenheit zu
erlangen, verbleibe ich hochachtungsvollst
Hans Marees."
Die nun folgenden zwei Jahre widmete der
hochstrebende Künstler ganz seinem Werke,
zog sich mehr und mehr von der Aussen-
welt in sein Atelier zurück und verstummte
auch seinem Gönner gegenüber vollständig.
Schack, der doch an reiche Früchte seines
mäcenatischen Wirkens gewöhnt war, Hess
Marees bis Ende 1867 gewähren. Dann
forderte er ihn auf, durch die That zu zeigen,
was er während der letzten zwei Jahre gelernt
und geleistet habe. Ein halbes Jahr
später kam der Künstler dieser Aufforderung
nach, indem er zwei Bilder an seinen Auftraggeber
absandte, deren Zustand ihn zu einem
langen Begleitschreiben veranlasste. Ich gebe
dasselbe, sowie einen andern unmittelbar
darnach folgenden Brief, im Auszuge wieder:
„Rom, den 20. Juli 1868. Hochgeehrter
Herr Baron! Sie werden nun die betreffenden
Bilder erhalten haben oder doch
dieser Tage erhalten. Da ich von Anfang
an mein Verhältnis zu Ihnen nicht als ein
geschäftliches betrachten konnte, sondern
vielmehr als eine mir von Ihnen gütig
dargebotene Gelegenheit mich zum Künstler
auszubilden, so lässt sich auch die Grenze
meiner Verpflichtungen gegen Sie nicht feststellen
. Hätten Sie mich für einen Künstler
gehalten, so würden Sie mir wahrscheinlich
ganz bestimmte Aufgaben gestellt haben
unter ganz festen Bedingungen. Sie haben
ganz recht gethan, denn von jemanden, der
nichts kann, ist es ja nicht festzustellen,
was er leisten wird. Zu spät habe ich
indessen eingesehen, dass diese meine Auffassung
nicht Ihren Wünschen entsprach
und so bin ich denn in Teufels Küche geraten
, ehe ich mich dessen recht versehen
hatte.
Mein Thun und Treiben bedürfte an und
für sich gewiss nicht einer Entschuldigung.
Denn insofern es bezüglich einer angenehmen
, ja nur möglichen Existenz thöricht
war, habe ich das auch selbst zu tragen; inwiefern
es in künstlerischer Hinsicht löblich
und vielleicht nicht unverständlich war,
wird, wenn ich lebe, die Zukunft beweisen.
Man hat Ihnen Mitteilungen über mich und
meine Leistungen gemacht, die nur sehr
bedingungsweise wahr zu nennen sind. Das
ist für mich ein grosses Unglück. Denn
ich hatte bis dahin nichts unbedingt Gutes
geleistet, sondern es Hess nur ahnen, dass
ich es leisten würde . . . Glauben Sie
nur nicht, dass das Abgesandte trotz
meiner Ueberforcierung meinen Fleiss,
meine Fähigkeiten, mein Können einiger-
massen repräsentiere . . . Schliesslich bin
ich denn ganz kopfscheu geworden, gegen
andre und mich, eine Kette von Aufopferungen
und Selbstverleugnungen hat
mir fast einen schlechten Ruf eingebracht,
und Beschuldigungen, wie sie nur perfide
Gemeinheit erfinden kann und jahrelanges
Streben, verbunden mit den äussersten Anstrengungen
, bringen mir, weil ich letztere
nicht bis zum letzten Abschluss bringen
konnte, jetzt auch noch Blamage ein. Allerdings
stehen jetzt zehn gegen eins, dass
ich zu Grunde gehe, und mir bleibt nur
noch die Obliegenheit, dies in einer anständigen
, meinem Leben entsprechenden
Weise zu thun; auch darauf bin ich stets
gefasst gewesen.
Für das mir erwiesene Gute, Herr Baron,
kann ich nur nochmals danken, ich kann
Ihnen nur mein bei Gott aufrichtiges Bedauern
ausdrücken, nicht glücklicher gewesen
zu sein in dem Bestreben, Ihnen
eine wirkliche Freude zu bereiten.
Doch, was Schicksal auferlegt, muss der
Mensch ertragen, es hilft nicht, gegen
Wind und Flut sich schlagen. Hochachtungsvoll
Hans v. Marees.
Der folgende Brief ohne Datum ist offenbar
wenige Tage später geschrieben worden:
„Hochgeehrtester Herr Baron ! Die eigentümliche
Lage, in der ich mich befinde,
zwingt mich, eine sonderbare Bitte an Sie
zu richten, die jedoch vielleicht ganz überflüssig
ist. Ich ersuche Sie nämlich, dasjenige
meiner Hand, was Sie in diesem Jahr
von mir erhalten haben, so sehr wie möglich
vor den Augen der Welt zu bergen, um
mir auf diese Weise wenigstens ein Hindernis
meines Fortkommens aus dem Wege
zu räumen; wenigstens ein Jahr lang. Irren
Sie sich nicht, Herr Baron, über die Motive
dieses sonderbaren Verlangens. Meine
Selbstanklagen . . . sind durchaus nicht aus
dem Gefühle begangenen Unrechts oder
verabsäumter Pflicht entstanden.
Berücksichtigen Sie meine Bitte nicht
meinetwegen, sondern aus Achtung vor dem
Unglück. Denn ein Unglück ist es, wenn ein
Mensch den Drang hat, zu schaffen mit dem
Bewusstsein des endlichen Gelingens, mit
den Eigenschaften der Geduld und Ausdauer
und er steht da: ohne Freund, ohne
einen Heller Geld, ohne Kredit, ohne Aus-
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