Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 5. Band.1902
Seite: 187
(PDF, 174 MB)
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Varia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Public Domain Mark 1.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_05_1902/0209
-^5> VON AUSSTELLUNGEN <^=^

der verzweifelte Kampf einer Nation um die Erhaltung
ihrer Rasse kann Tradition, Legende, UrSage
so rein in ursprünglicher Kraft und Tiefe
bewahren. Die finnländischen Künstler stehen in der
Technik ihrer Ausdrucksweise den Modernsten nicht
nach — aber die Neuheit der Mache hat den Eigenwuchs
ihrer Visionen nicht geschwächt. Axel
Gallen ist die stärkste Individualität unter den
finnländischen Malern. Er verlebendigt mit ebensolcher
Kraft die Natur seines Landes, als er die
Mythen seines Volkes versinnlicht. Seine Themen,
den verschiedensten Gebieten menschlicher Leidenschaften
entnommen — seine Natur-Ausschnitte
den heterogensten Stimmungen unterworfen, tragen
doch den Stempel jener Einheit, welche nur Persönlichkeiten
mit einer festgeschlossenen Weltanschauung
zu eigen ist. »Imatra im Winter« ist eine
Eis- und Schneetönung von symphonischer Gewalt.
Finnland's brausendster, heftigster Fluss, dessen
aufbäumende Wildheit noch nie von Menschengeist
gebändigt werden konnte, wühlt sich sein Bett durch
die eisstarrenden Ufer. Das schmutzige Gelb der
Fluten, der bläuliche Schimmer des Eises, und die
Blütenweisse des Schnees, der als Hauch, als
duftige Flocke sich schmiegt und senkt und hüllt
um Baum und Busch — giebt nicht nur einen
einzigen Stimmungsreiz, sondern ist malerisch eine
der interessantesten Lösungen von Tonwertung.
Welch Gegensatz zu diesem Winterschauer das Bild
»Frühjahr«! Ein Wald. Im Flimmern der Schatten
bläulich schimmernd schmiegt sich zu Häufchen
geschmolzen der Schnee an die Baumwurzeln. Wie
ein seeliges Versprechen wölbt sich in tiefsatter
Bläue der wolkenlose Himmel. Noch kein jubelndes
Erblühen kündet das Bild - sondern den
Augenblick, welchen Siegfried so herrlich besingt,
- Winterstürme wichen dem Wonnemond. Gleich
stark weiss Gallen menschliche Leidenschaften
in Schönheit und Wildheit auszudrücken. Hier ist
es die Legende, welche ihm Stoff giebt für Gestaltungen
von packender Psychologie. Der Mord ist
in Joukahainen's (»Lapplands bösgearteten Sohns«)
Zügen gewaltig verkörpert. — Die Mutterliebe, in
der Gestalt von Lemminkainen's trauernder Mutter,

welche den Leichnam des toten Sohnes stückweise
zusammenträgt, scheint uns eine Figur, die an Intensität
des Schmerzensausdrucks keinem Dürerischen
Marien-Bild nachsteht. Und welche Kraft
spricht aus Kullerwo dem Unbewussten, der weltfremd
im Walde haust, oder aus des Schmiedes
Sampo wuchtiger Gestalt. Gewaltig wirken diese
Accente seelischer Erregungen in ihrem herb, einfachen
Vortrag. Die Wegbauer, von Pekka Halo-
nen gemalt, wie die einen mit straff gespannten
Körpern Bäume niederziehen, andere mit gekrümmten
Rücken Wurzeln und Baumstumpfen wegräumen,
erwecken durch die Einheitlichkeit ihrer Bewegungen
ein rhythmisches Gefühl, wie Meunier es ähnlich
bei den Figuren seiner Grubenarbeiter hervorzurufen
weiss. Arbeiten, arbeiten, für die Reichen
klingt Meuniers Rhythmus. Arbeiten, arbeiten, für
die Russen, ist der symbolische Gedanke, welchen
die sehnigen, sich mühenden und plagenden Gestalten
der finnischen Wegbauer hier verkörpern.
Eero Jaernefelt ist friedlicher, heiterer. Im Süden
Finnlands scheint er zu hausen und die liebliche
Schönheit des Landes mit den tausend Seen spiegelt
sich in seinen Landschaften. Kolorist vom edelsten
Stamme weiss er die feinen Uebergänge der Waldesgrenze
zur Fjordvegetation, die Seespiegelungen und
die Tönungen des Himmelszeltes mit zarter Ueber-
tragungskunst festzuhalten. Sein Schönstes aber
ist ein Kinderbild: das Porträt seines Sohnes. Das
Köpfchen zeigt so berückenden Reiz, die braunen
Augen drücken so viel Sanftmut und Seelenwärme
aus, dass man wohl sagen kann, glücklich
das Land, dessen Ringen nach höchster seelischer
Kulturblüte solche Kinder zeitigt. Edelfeldt ist
der bekannteste Künstler der finnländischen Schule.
In Paris lebend, hat er sich der Art der französischen
Maler sehr genähert. Sein Können ist gross, aber
seine Unmittelbarkeit ist zum Teil verloren gegangen.
Und die Grösse der finnländischen Kunst liegt im
Heimatlichen. —Wir haben uns mit den Finnländern
so eingehend beschäftigt, dass für die Besprechung
der Toorop-Sammlung wenig Raum überbleibt.
Toorop ist ein eigenes Zimmer eingeräumt. Dieser
Eigenartige verträgt keine Nachbarn. Er ist diesmal

187

24*


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_05_1902/0209