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-sr^> VON AUSSTELLUNGEN
bei hellem Sonnenschein, das andere Mal unter
grauem Himmel, sein >Lawntennis-Platz in BerlinW.«
sind durchaus charakteristisch für den Ort ihrer
Entstehung. Am feinsten wirkt eine Herbstlandschaft
, >Das Schloss« betitelt. Man sieht dessen
weisse Fassade hinter einem sich ins Bild reckenden
grossen Baumzweig schimmern. Dieses Weiss, die
graue Luft, ein vergehender Rasen und die herbstlichen
Blätter geben zusammen eine köstliche Harmonie
. Als begabter Porträtmaler legitimiert sich
H. E. Linde-Walther. Er liebt es, seine Bilder
auf zwei Farben zu stellen. Zunächst fehlen ihm
noch Grösse der Auffassung und Kraft des Ausdrucks
; aber man hat vor seinen Bildnissen die
Empfindung, sie müssten sehr ähnlich sein. Ausser-
HANS BORCHARDT DAS BUCH
dem sind sie als Malerei mindestens höchst geschmackvoll
. Ein stehendes, von seinem auf dem
Fussboden aufgebauten Spielzeug umgebenes, kleines
Mädchen in einem Interieur, ziemlich von oben
gesehen, das Bildnis eines alten Herrn in Grau
und Schwarz und das Porträt eines Freimaurers in
Logentracht, auf Rot und Schwarz gestimmt, empfehlen
den Künstler am meisten. Louis Corinth
lässt eine Reihe von neuen Bildnissen sehen. Der
gute Eindruck, den sein eminentes Können macht,
wird bei einer ganzen Anzahl von ihnen leider durch
äusserliche Geschmacklosigkeiten beeinträchtigt. Die
grossen Vorzüge des Künstlers kommen in dem
Bildnis eines dichtenden Grafen Keyserling und in
einer Skizze zur »Salome« noch am ehesten heraus.
Seine Arbeite."1 leiden ersichtlich aber auch unter
der Gegenwart des Bildnisses der Eva Gonzalez
von Manet, das allein schon nach der Geschmacksseite
soviel bedeutet. Von Manet sieht man hier
auch >Mon jardin«, eines der feinsten Landschaftsbilder
, die es giebt, eines, bei dem das Materielle,
alle Erdenschwere überwunden ist, und nur die
reinste, reifste Kunst wirkt. Ein paar geistreiche
Pastelle von E. Vuillard beschliessen die interessante
Vorführung. H. R.
]\/T ÜNCHEN. Winter-Ausstellung der »Secession«-.
In weniger denn Jahresfrist hat der Tod eine
reiche Ernte unter den deutschen und speziell unter
den Münchner Künstlern gehalten. Die Lücken,
die so in ihre Reihen gerissen wurden, empfinden
wir um so schmerzlicher, weil viele der Dahingegangenen
in voller Schaffensfreude und noch
nicht vom Alter gebrochener Lebenskraft von uns
geschieden sind. Drei Frühverstorbene waren es
auch, denen die Münchner Secession in treuer
Pietät den grössten Teil ihrer diesjährigen Winterausstellung
widmete: Paul Hetze, Arthur Langhammer
, Wilhelm Volz. Dieser drei Künstler ist
in unserer Zeitschrift schon bei ihrem Hinscheiden
gedacht worden; und so genügt es, heute mit
wenigen Worten den Inhalt ihrer Nachlassausstellungen
zu charakterisieren. Den Eingangssaal in
ihrem schönen Ausstellungsgebäude hatte die Secession
den Werken Paul Hetze's eingeräumt. Sie
sagten uns nichts Neues über den Künstler, der
erst im Anfang der dreissiger Jahre stand, als er
dem schon lange an ihm nagenden Lungenleiden
erlag. Aber sie sagten uns aufs neue, wie traulich
und liebenswürdig, wie echt deutsch seine Kunst
war. Wiesenduft und Waldesrauschen weht uns
von Hetzes Tafeln entgegen. Wenn Moritz von
Schwind sich einmal gerühmt hat, er sei der einzige,
der ein Waldinneres malen könne, so müssen wir
ihm heute, bei aller Verehrung für den Meister
der »schönen Melusine«, diesen Ruhm streitig
machen. Wie sich die deutsche Phantasie den
Wald beseelt, das in der That hat er verstanden,
und mit den schlichten Mitteln seiner Kunst auszudrücken
verstanden, wie vor ihm und nach ihm
vielleicht kein anderer. Nur war seine Kunst eben
im malerischen Sinne sehr primitiv. Wollten wir
eines seiner köstlichen Bilder aus der Schackgalerie
neben eine der Hetzeschen Waldlandschaften hängen,
es würde grau und kühl aussehen, wie eine in
matten Farben getuschte Zeichnung. Aber die
Zeichnung freilich! und die Gestalten, die seine
Waldeinsamkeiten beleben ! Da würde Hetze wohl
zu kurz kommen! Und doch würde man erkennen:
hier ist Geist vom Geiste Schwinds. Ein echtes
Malerauge und eine reine Malerseele waren es, die
sich so fürs ganze Leben in das saftige Grün und
das herbstliche Gold des Laubwaldes verliebt hatten,
die nicht müde wurden, das weich anschwellende
Wiesengelände nachzudichten und wie sich am
Waldsaum die Buchenzweige zum Gras herniedersenken
. Tiefblauen Sonnenhimmel mit ein paar
leuchtenden Wolken oder klare kühle Herbstluft
spannte er über seine stillen Landschaften und
Hess in ihrem Frieden sinnende Mönche oder ein
schweigendes Liebespaar oder einen schalmeienden
Hirten träumen. Wenn er eine epheuumsponnene,
blütenumwobene Ruine oder ein einsames Waldkirchlein
oder ein kleines Bergdorf malt, dann erscheinen
auch die Bauten, die sich Menschenhand
errichtet, wieder zur Natur geworden. So ist alles
bei ihm von einer etwas schwermütigen, niemals
sentimental klingenden Harmonie erfüllt, für deren
Reinheit der vornehme Farbensinn des Malers und
sein feines Empfinden für die Kraft und Wirkung
grosser, ruhiger Silhouetten und klarer Ueberschnei-
dungen sorgte. — Wie die Kollektion aus Hetzes
Nachlass, so machten auch die zwei Säle, die mit
Werken Arthur Langhammer's gefüllt waren,
einen einheitlichen, geschlossenen Eindruck. Sie
gaben nicht einen Ueberblick über das ganze Lebens-
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