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VON AUSSTELLUNGEN — PERSONAL-NACHRICHTEN -C^=^
gelernt und viele von ihnen sich dank dieser
guten Grundlage! — ansehnliche Stellungen im
deutschen Kunstleben erringen können. Er hat niemals
ein wirkliches Talent durch seine Art geschädigt
, sondern immer die individuellen Fähigkeiten
seiner Schüler zu erhalten und zu entwickeln
gesucht. Dass eine ganze Reihe von jungen Talenten
sich ihm schliesslich ganz eng angeschlossen hat, und
ihm neuerdings manches nachgemacht wird, kann ihm
nicht zum Nachteil angerechnet werden. Er ist in
seiner Kunst eine Persönlichkeit gewesen und, wie
seine letzte Wandlung beweist, bis jetzt geblieben.
Die Ausstellung giebt leider keinen Ueberblick über
seine gesamte künstlerische Thätigkeit, sondern nur
Proben aus seiner Entwicklung. Aus Brachts erster
Zeit ist gar nichts da. Das älteste vorhandene Bild ist
eine 1879 datierte „Landschaft aus der Lüneburger
Heide" im bräunlichen Ton der Schirmer-Schule,
aber ganz fein in ihrer melancholischen Stimmung.
Dann folgen eine Sinai-Landschaft mit theatralisch
glühenden Bergeshäuptern; das bekannteste, aber
keineswegs beste seiner Werke, das pathetische„Grab
Hannibals" und einige Schöpfungen der neuesten Zeit,
unter denen „Spree und Morgenstern", eine herbstliche
„Harzlandschaft" und eine Studie aus Sylt am
angenehmsten auffallen. Unter Brachts Schülern
treten hier am vorteilhaftesten Frenzel mit einem
erfreulich farbigen „Sommertag", Dettmann mit
einem „Dünenkirchhof", Fritz Krause mit einem
frischen „Angler", Kayser-Eichberg mit einer
grosszügigen „Märkischen Landschaft", Männchen
mit etwas zu säuberlichen „Steinklopfern" und
Freudemann mit einem in Licht schwimmenden
„Hintersee bei Berchtesgaden" am vorteilhaftesten
hervor. Andere Künstler, wie Lejeune, Fritz
Geyer, Feldmann, Boche, Oesterlitz, Langhammer
, Pigulla, Basedow, Melzer und Wendel
, die zu den begabtesten von Brachts Schülern
gehören, haben bei anderen Gelegenheiten viel
besseres gezeigt als hier, wo sie Zeugnis dafür
ablegen sollten, was sie diesem hervorragenden
Lehrer verdanken. Brachts Fortgang von Berlin
wird aber auch angesichts dieser nicht gerade imponierenden
Ausstellung als ein Verlust empfunden
werden. — Bei Keller & Reiner dominiert in der Dezember
-Ausstellung das Kunstgewerbe. Der Wiener
Myrbach und Kolo Moser und seine Schule
stellen Gläser und Metallarbeiten aus, die Darmstädter
Künstlerkolonie Schmucksachen, Behrens
eine köstliche silberne Schreibtischgarnitur, Christiansen
einen Tafelaufsatz, Rud. und Fia Wille
Stickereien, Tiffany neue, an die Antike gemahnende
Bronzelampen, Gauthier - Nancy einfach
schöne Sessel und ein Sofa. Dazwischen giebt
es natürlich jene outriert moderne Snobware, die
gegen das neue Kunstgewerbe einnimmt, also der
Sache schadet. Im Oberlichtsaale Kollektionen
von Paul Dubois, Th. von Gosen, Karl Max
Rebel, P. Thiem, Fritz Christ, Emil Thomas,
George Lemmen und E. Epple. Beachtung verdienen
nur Dubois, Gosen und Lemmen. Dubois'
Plastiken bedeuten gegenüber den Schöpfungen von
Meunier, Minne, Lagae wenig. Sie haben die charakteristischen
Merkmale der belgischen Bildhauerschule
, wirken aber bereits ziemlich akademisch.
Eine >Le Penseur« betitelte Halbfigur hat die Schönheit
des logischen Zusammenhangs aller Linien.
Von den verschiedenen Porträtbüsten besitzen die
der schönen Geigenvirtuosin Irma Saenger-Sethe
und die eines jungen Mädchens mit äusserst reizvoll
gebildetem Mund am meisten Eigenart. Es
war ein Fehler, mit der handfertigen Geschicklichkeit
des belgischen Künstlers die sympathischen
Arbeiten Theo von Gosen's in Konkurrenz zu
bringen. Gosen hat mit seinem »Geiger«, mit dem
eine Muschel hochhaltenden weiblichen Figürchen,
mit der ihre Last auf den Boden setzenden
»Muschelträgerin« einige der besten Schöpfungen der
deutschen Kleinplastik hervorgebracht. Man sieht
hier auch seinen anmutigen Tafelaufsatz, der die
Pariser Weltausstellung zieren sollte, aber nicht
rechtzeitig mehr fertig wurde. Lemmen stellt gezeichnete
Akte und einige Oelbilder aus, die zwar
ein gutes Können, aber noch wenig Eigenart verraten
. Er geht auf Fleckenwirkungen in der Art
von Degas und Vuillard aus und ist nicht ganz un-
beeinflusst von einigen Theorien der Neo-Impressionisten
. Ein »Stilleben« mit blauen, grünen und
gelben Krügen und Vasen auf einer rehfarbenen
Decke gegen rosagemusterten Grund, zwei »Mädchen
die Hüte probieren« in hellvioletten und grüngrauen
Kleidern zeigen am deutlichsten, wohin seine geschmackvollen
Absichten gehen. H. R.
PERSONAL- UND
ATELIER -NACHRICHTEN
W/'EIMAR. Der bekannte Kunstgewerbler Henri
™ Clemens van de Velde aus Antwerpen, der
zur Zeit in Berlin lebt, ist vom Grossherzog von
Sachsen hierher berufen worden und wird am
1. April 1902 nach Weimar übersiedeln. Derselbe
wird in den Verband der Kunstschule zwar nicht
eintreten, aber seine Ateliers in der Kunstschule
haben. Das Heranziehen einer so hervorragenden
modernen Kraft, wie van de Veldes, ist sowohl für
die Kunstschule als auch für das gesamte Kunstleben
Weimars mit lebhafter Freude zu begrüssen
und beweist zur Genüge das warme Interesse,
welches der junge Grossherzog an der gedeihlichen
Fortentwicklung hiesiger Kunst nimmt. — Der Graf
von Görtz, welcher seit dem 1. Oktober 1885 der
Grossherzogl. Kunstschule als Direktor vorgestanden
hat, legte am 1. Januar sein Amt nieder. - - Dem
Landschaftsmaler Paul Tübbecke wurde vom
Grossherzog der Titel »Professor« verliehen. r.
IV/IADRID. Jose Villegas wurde als Nachfolger
Luis Alvarez' zum Direktor des Prado-Museums
berufen. Für das römische Kunstleben bedeutet
das einen empfindlichen Verlust, denn in ihm und
auch in der römischen Gesellschaft spielte Villegas,
der seit mehr als dreissig Jahren in der italienischen
Hauptstadt lebt, eine der glänzendsten Rollen. An
seiner Stelle als Direktor der spanischen Akademie
in Rom wird der Bildhauer Mariano Benlliure
treten. — Die Grundsteinlegung für das nach dem
Entwurf dieses letztgenannten Künstlers und des Architekten
Grases in Madrid geplante Nationaldenkmal
für König Alfons XII. soll am 17. Mai, dem Tage der
Mündigkeitserklärung des jetzigen Königs stattfinden.
Die Gesamtkosten der Denkmalsanlage sind auf
zwei Millionen Pesetas veranschlagt. Das eigentliche
Denkmal, aus einer Reiterstatue des Königs
bestehend, wird sich auf einer, von einem Säulengang
umgebenen Plattform erheben, zu der eine
grosse, in einem Bogen vorspringende Treppe
hinaufführt.
JWIÜNCHEN. Dem Akademiedirektor a. D. Prof.
Fr. Aug. von Kaulbach wurde das Komthur-
kreuz des Verdienstordens der Bayerischen Krone
verliehen. Anlässlich des Neujahrsfestes wurden
von S. K. H. dem Prinzregenten u. a. mit dem Titel
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