Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 5. Band.1902
Seite: 258
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_05_1902/0296
-*«^> VON AUSSTELLUNGEN <^*-

VON AUSSTELLUNGEN

FRANKFURT a. M. Unser Publikum ist in Kunstsachen
von sehr konservativer Art: selten machen
bei uns Erscheinungen Glück, die neu oder überraschend
wirken, und wären sie aus dem Vollgehalt
des reifsten künstlerischen Charakters geboren.
Unter diesen Umständen konnte es nicht befremden,
wenn jüngst eine Kollektiv-Ausstellung des Stuttgarter
Akademiedirektors Leopold Grafen von
Kalckreuth, die der Frankfurter Kunstverein in
seinen Räumen veranstaltete, einen schlecht vorbereiteten
Resonanzboden vorfand. Zwar war es
eine Ausstellung von ausgezeichneter Qualität, und
ein kleiner Kreis von einsichtigen Kunstfreunden
hat ihr die wärmste Aufnahme bereitet. Aber die
anderen ? Darauf erlasse man uns die Antwort.
Was lässt sich auch von einem Publikum erwarten,
das einem Viktor Müller das Leben verleidet und
einen Thoma ausgepfiffen hat? Der einzige Trost
— ob auch solamen miserum — ist der, dass die
Leute auch anderwärts nicht viel anders sind. Dass
es der Kunstverein sich trotz alledem nicht ver-
driessen lässt, immer wieder auf das moderne Thema
zurückzukommen und unentwegt den Kampf gegen
alle erdenklichen Vorurteile fortzuführen, soll ihm
unsererseits als ein ganz besonderes Verdienst
angerechnet sein. In Wahrheit also war es eine
ganz vorzügliche Ausstellung, mit der sich Graf
Kalckreuth in Frankfurt einführte; sie war der
Ausdruck eines künstlerischen Schaffens, das nicht
nur die Höhe einer aussergewöhnlichen Leistungsfähigkeit
erreicht hat, sondern auch, worauf wir
noch grösseres Gewicht legen, sich in aufsteigender
Fortentwicklung befindet. Natürlich war es
kein Kunststück, dem hier Gebotenen gegenüber,
wie Einigen gelang, die Formel zu finden, als
handle es sich dabei um eine neue Nachahmung
französischer Freilichtmalerei. Allein recht besehen
ist damit doch nicht mehr und nicht weniger als
gar nichts gesagt. Allerdings tragen einzelne der
Bilder, die sich ihrer Entstehungszeit nach über
einen Zeitraum von etwa fünfzehn Jahren erstrecken,
das Gepräge französischer Schulung, und nicht nur
einer einzelnen Schule, sondern sogar der Entwicklung
, welche die ganze Schule seit den achtziger
Jahren auf dem Wege von Bastien-Lepage zu Manet -
zurück muss man beinahe sagen, durchgemacht hat.
Aber das ist nebensächlich. Ich möchte wissen,
welchem Künstler man den Bildungsgang, den er
genommen hat, etwa nicht ansähe. Und wissen wir
etwa nicht, dass auch Leibi, Uhde, Liebermann und
genug andere in der Schuld der Pariser Schule,
und gewiss nicht zu ihrem Nachteile stehen?
Was will man uns also damit sagen? Wesentlich
ist doch nur, dass Kalckreuth so gut wie die
genannten Künstler aus dieser äusseren Anregung
heraus eine durchaus eigene und sehr kräftig
ausgeprägte Individualität zu entwickeln gewusst
hat. Und ist das etwa auch ein Fehler gewesen?
Kalckreuth hängt weniger an der Form, als die
Franzosen. Er legt in jede noch so peinliche Nachbildung
des Natürlichen einen nur ihm eigenen
Gemütsanteil hinein, der mehr ist als dieses. Seine
Bildnisse, meist dem eigenen Familienkreise entnommen
, bringen eben diese Stärke am fühlbarsten
zum Ausdruck. Ihr Urheber ist ein Maler der
Seele, nicht nur der äusserlichen Erscheinung.
Nichts zarter, liebenswürdiger in dieser Hinsicht
als die Porträts eines kleinen fünf- oder sechsjährigen
Blondkopfes, die in verschiedener Auffassung
wiederkehren; nichts sprechender, geistiger empfunden
, als das Bildnis der Gattin des Künstlers.
Dieses und ebenso ein lebensgrosses, in eine Landschaft
hineingestelltes Damenporträt zeigen ein älteres
, bis ins kleinste mit Sorgfalt zeichnendes Verfahren
. Die neueren Bilder weisen dem gegenüber
eine breitere, flächigere Behandlung, einen gewissen
impressionistischen Zug auf, so die schon erwähnten
Kinderbildnisse und die mit einem staunenswerten
Blick für das Momentane der Aktion beobachtete Figur
eines mit Schriften beschäftigten, am Boden kauernden
Knaben. Die Mehrzahl von Kalckreuths Landschaften
geh ort eben falls auch dieser »zweiten Manier«
an. Auch hier eine zunehmende Breite der Behandlung
, die an Zeichnung im gewohnten Sinne manches
aufgiebt, was auf der andern Seite die grössere Beweglichkeit
des Ausdrucks und eine reichere, farbige
Durchbildung der Tonwerte und der Tonintervalle
wieder einbringt. Ein Strassenbild aus der Stuttgarter
Residenz und einige Erntebilder, wohl aus
dem schlesischen Landleben genommen, gehen darin,
klar und zielbewusst wie sie sind, wohl am weitesten.
Hier werden Garben aufgeladen auf einem hellbelichteten
Felde, das die Glut eines heissen Sommertages
widerstrahlt, dort im Gutshofe erscheint der
Erntewagen wieder, der hochbepackt der schattigen
Tenne zuschwankt, Dinge, die bei aller Virtuosität
der Darstellung doch ganz sachlich und anspruchslos
erscheinen und denen zugleich wieder ein seelisches
Moment, ein feiner, poetischer Hauch innewohnt.
Aufs neue erschien uns Kalckreuth in diesen Schöpfungen
als einer der ersten, berufensten und feinfühligsten
Vertreter moderner Grundanschauungen
in der Malerei. Wir hoffen, dem Künstler in Frankfurt
nicht zum letztenmale begegnet zu sein; wir
gedenken es auch noch zu erleben, dass ihm in
Zukunft nicht nur von wenigen, sondern von allen
ein freundlicher Empfang bereitet wird. Wir haben
damit des bedeutendsten an künstlerischen Darbietungen
aus dieser letzten Zeit Erwähnung gethan.
Von Interesse waren ausserdem eine Ausstellung
älterer Studienköpfe und Porträts von Trübner im
Kunstverein, Bilder von L. von Hofmann und
G. Kühl bei Schneider; bei Hermes endlich einige
feine Studien von Löfftz und eine Sammlung von
Bildern Zuloaga's, diese letzte aber nicht so gut, als
allerlei anderes, das man von diesem Künstler 1901
in Dresden und 1900 in Paris zu sehen bekam. j^*

DERLIN. Der grosse Oberlichtsaal im Salon
*-* Keller & Reiner beherbergt eine Ausstellung der
Münchener Künstler-Vereinigung „Die Scholle", in
der ausser den auf der letzten Münchener Ausstellung
gezeigten Arbeiten noch Fritz Erler's Tripty-
chon »Die Pest«, einige vortreffliche Landschaften
von Weise und ein paar Rothe-Dächer-Bilder von
dem trefflichen Feldbauer vorgeführt werden. Sehr
interessant ist die Kollektiv-Ausstellung von Werken
des dänischen Bildhauers Stephan Sinding. Die
meisten seiner Schöpfungen kennt man freilich aus
Pariser, Münchener und Berliner Ausstellungen, aber
so beieinander geben sie doch wieder ein neues Bild
von der Persönlichkeit des Künstlers. Man möchte
seine Art des plastischen Ausdrucks konventionell
nennen. Das, wodurch seine Gestalten wirken, ist
überhaupt nicht das Körperliche, sondern die hineingelegte
Seele. Eine keusche, einfache Seele voll
hoher und reiner Empfindungen. Der Menschenleib
ist Sinding nur das Symbol für ihre Regungen.
Die Liebe zwischen Mann und Weib, die er in seiner
Gruppe »Zwei Menschen« schildert, ist die Liebe,
von der die Unschuld träumt, ein heiliges Nehmen
und Geben. Kein Feuer der Sinne umzuckt die
jungen Körper. Und wenn auf einer anderen Gruppe

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