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-*-225> MÜNCHENER FRÜHJAHR-AUSSTELLUNGEN <^p~
liegt, eines Stils, der zwar äusserlich scheinbar
an die wandschmückende Kunst des Ba-
rocko anknüpft, innerlich aber von dem, was
man mit dem Begriffe des „Dekorativen", sei
es im Sinne der alten Venezianer, der späteren
Manieristen, sei es eines Tiepolo, oder
auch von der neueren Wiener Art Makarts
und Gedons polar entgegengesetzt ist, eine
Kunst, obwohl frei von aller archaisierenden
Primitivität, dennoch von herber Strenge:
reif, aber nicht überreif.
Als bedeutendste Leistung auf dem, von
vielen so bald und so leichten Herzens wieder
verlassenen Gebiete der impressionistischen
Naturwiedergabe hat Uhde's diesjährige Arbeit
zu gelten: eine neue Variation seines geliebten
sonnigen Gartenidylls. Es ist die gewöhnliche
Staffage: ein junges sommerlich-hell
gekleidetes Mädchen, im Profil gesehen, sitzt
im Halbschatten eines Baumes; Sonnenlichter
huschen über die Steinfliessen, über das Kleid
und durchleuchten den leichten Stoff. Sie
blickt vom Buch auf und der struppige Hund,
ihr unzertrennlicher Begleiter, springt, anschlagend
, auf. Das Tier, welches halb im
Schatten, halb in den Lichtflecken der hereinfallenden
Sonnnenstrahlen steht, ist wohl der
Glanzpunkt des Ganzen, eine Specialität für
HUGO FRHR. VON HABERMANN HALBAK1
Frühjahr-Ausstellung der Münchener Secession
Feinschmecker, die wissen was es heisst,
einen Körper in zerstreuter Beleuchtung
plastisch herauszuarbeiten. Was das Bild aber
vor seinen Vorläufern voraus hat, ist seine
wundervoll sichere Gesamthaltuhg. Da steht
jeder Gegenstand an seinem Platz, jeder Ton
hat den Wert, der ihm zukommt und dabei
ist nichts hölzern Konstruiertes, keine tote
Stelle, nichts plump Gegenständliches, nichts
stumpf Materielles, sondern überall die feinen
Wirkungen der Atmosphäre, alles von Luft
und Licht umflossen.
Auf dem Gebiet des rein Landschaftlichen
zeichnet sich namentlich wieder aus: W. L.
Lehmann mit seinen fein und durchsichtigen
Stimmungen von der „Wasserkante". Ludwig
von Senger tritt mit einer temperamentvoll
gemachten Sturmlandschaft, wie sie Stäbli
liebte, wirkungsvoll auf, und Miss Belling-
Hall überrascht mit einer technisch brillanten
Dorfstrasse aus Oberbayern. M. von Hagen
giebt in einem ergreifend ernsten, dabei höchst
anspruchslosen Bilde die Melancholie der
braunen, halb vom Schnee verwehten Haide
wieder, während Kaiser in einer ganzen
Reihe umfangreicher Arbeiten die grüne Ebene
mit grossumrissenen Baumsilhouetten und gewaltig
getürmten, regenschweren und gewitterschwangeren
Wolkengebirgen nicht
müde wird, abzuschildern (s. Abb.
a. S. 321). Noch unmittelbarer wirken
als Naturschilderung intimerer Art
die reizenden kleineren Studienblätter
, die sich von dem produktiven
Künstler daneben finden. Nicht zu
vergessen ferner die stets geschmackvollen
Landschaften Benno Becker's
(s. S. 319), die heuer kräftiger in der
Formengebung erscheinen, die hübschen
Flussthal- und Wiesenmotive
in farbiger Zeichnung von Piepho
(s. S. 330), und namentlich Rudolf
Schiestl's Ansichten aus dem malerischen
Gewinkel der kleinen Städte
des Frankenlandes.
Das Tierbild vertritt diesmal wieder
Tooby mit alter Kraft; namentlich
ein „Toter Auf" ist mit meisterlicher
Sicherheit Feder um Feder hingestrichen
. Schramm - Zittau , von
dem wieder ein gutes Entenbild da
ist, hat sein Gebiet erweitert, indem
er eine Reihe charakteristischer Figurenstudien
nach Bauern, ländlichen
Bürgermeistern und Jägern (s. Abb.
a. S. 325) bringt. Ein besonderes
Genre der Tierdarstellungpflegt Paul
Neuenborn. Er ist ein vollendeter
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