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-*-£^> PERSONAL- UND ATELIER-NACHRICHTEN
PERSONAL- UND
ATELIER-NACHRICHTEN
CTRASSBURG. Ein neues Werk
^ Adolf Hildebrands. In der kurzen
Frist zweier Jahrzehnte hat Wilhelm
Bode der Stadt Strassburg für
ihre in der Nacht vom 26. zum
27. September 1870 verbrannte Gemäldesammlung
— es war, von
wenigen Ausnahmen abgesehen, eine
w volz Galerie guter Namen und schlechter
Tischkarte Bilder — einen Ersatz geschaffen,
der das Untergangene an Wert
um ein Vielfaches übertrifft. Ihm
dafür zu danken, beschloss der Gemeinderat, durch
Adolf Hildebrand seine Büste anfertigen und
im Museum aufstellen zu lassen. Das Werk ist
nun vollendet, und der Künstler selbst hat ihm an
der Ostwand eines Oberlichtsaales zwischen grossen
Bildern den Platz gewiesen. Es steht genau in
Augenhöhe. Eine flache, mit rotem Marmorstuck
überzogene Empirestele, von Hildebrand entworfen,
dient als Träger. Vor Jahren hatten zwei Künstler
von scharf naturalistischer Richtung Wilhelm Bode
im Profil gezeichnet. Liebermann gab ihn sitzend,
mit einer Bronzefigur in der Hand (Abb. »K. f. A.«
XII.Jahrg. S.228). Der Moment ist vortrefflich erfasst;
dieser Bode mit dem prüfenden Blick des Sammlers
hat zweifellos die vollste Natürlichkeit, den stärksten
Wirklichkeitseindruck für sich. Jan Veth gab, ohne
die Darstellung auf den Augenblick zuzuspitzen, die
an sich scharfe Naturform mit aller Schärfe wieder.
Es ist eine gute Lehre, nun einmal einen so ganz anders
gerichteten Künstler dem gleichen Modell gegenüber
zu sehen. Hildebrands Marmorbüste erhebt sich
mattglänzend mit ihrem ganz knapp ausgeschnittenen
Bruststück über einem bescheiden mit Voluten verzierten
Sockel. Der Kopf ist um ein weniges aus
der Achse der Brust nach links gedreht, und der
Blick dringt gerade aus der Ebene der sehr tief
liegenden Augen mit voller Energie auf den Beschauer
. Man empfindet aufs stärkste das Gerüst
der Knochen. Mit machtvoller Breite sind alle
Hauptpartien herausgehoben. Haar, Brauen und
Schnurrbart, mit Tabaksaft leicht rötlich getönt, sind
der Natur gegenüber mit starker Vereinfachung behandelt
. Hildebrands Werk ist von überzeugender
Aehnlichkeit. Auch wer Bode nicht persönlich
kennt, wird den Eindruck haben, dass es alles
Wesentliche des Urbilds, nicht nur das Körperliche,
enthält. Erst durch den Vergleich der ins Profil
gestellten Büste mit den Profilzeichnungen wird klar,
wie stark der Bildhauer stilisiert hat. Auf den
Zeichnungen, besonders auf der Liebermanns, besteht
der ganze linke Kontur aus geraden, winkelig
auf einander stossenden Linien; bei Hildebrand
sind die einzelnen Gesichtsteile zwar sehr ausdrucksvoll
von einander abgesetzt, ihr Umriss aber
besteht aus lauter sanften Schwingungen. Und vollends
der Schädel! Bei den Zeichnern hat er die
Begrenzung einer sehr unregelmässigen Vieleckhälfte
, während der Bildhauer ihn sozusagen aus
dem Kreise konstruiert hat. Alles ist gerundet, gemildert
, verallgemeinert, und es ist ein starkes
Zeugnis für die Grösse seiner Kunst, dass ihm bei
dieser Uebersetzung des Naturvorbildes in seinem
persönlichen, monumentalen Stil die Aehnlichkeit
nicht verloren gegangen ist. Hildebrands Bode-Büste
giebt uns das Dauernde des Mannes, seinen Wesensinhalt
: Den Organisator mit den weitdringenden
Augen, die das Feld sicher beherrschen. E. P.
DASEL. Ueber Böcklin wird im > Basler Jahrbuch«
*-* für 1902 (Verlag von R.Reich, Basel) gesprochen.
Dort sind nämlich auf zwanzig Seiten „Erinnerungen
an Arnold Böcklin nach Tagebuchnotizen
eines Studenten" gedruckt. Dieser Student war
Arnold von Salis, heute erster Pfarrer am Basler
Münster. Er hat mit Böcklin in den Jahren 1869—70
dann und wann verkehrt und hat manches von ihm
erfahren, was ihm der Aufzeichnung wert schien:
nicht nur über Kunst, sondern auch über anderes,
über Musikund Dichtungja sogar über philosophische
Dinge hat Böcklin mit dem jungen Manne gesprochen.
»Ihm ist die Welt ewig«, heisst es am 27. Juli 1870,
»ewig wechselnd; alle Existenzen sind Eigenschaften
desselben Prinzips, das man Gott nennen mag, oder
Kraft, oder Geist. Ich wandte ein: die entgegengesetzten
Existenzen, Böse und Gute, könnten
doch nicht wohl Eigenschaften desselben Wesens
sein. Er behauptete dagegen: die Kräfte, welche
solche verschiedene Existenzen beherrschen oder
bilden, seien freilich nur verschiedene Eigenschaften
desselben Wesens
; beim Demütigen
oder
Liebenden zeige
sich eben die
jenem Urprinzip
eigene Liebe,
beim Ehrsüchtigen
oder
Herrschsüchtigen
die jenem
eigene Kraft u.
s. w. Danach
kann natürlich
von Sittlichkeit
keine Rede sein;
Gut und Böse
sind nur ein Begriff
, den wir uns
bilden. Alles
Existierende ist
gleich gut, oder
vielmehr gleich
»seiend«. — Ich
hielt ihm vor,
welche Ungerechtigkeit
unserseits
es dann
wäre, Frevler zu a. hildebrand bode-büste
bestrafen. Er gab (s. a. d. Ahh. a. s. 398)
399
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