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Aus der V. Ausstellung der Berliner Secession
DIE FÜNFTE AUSSTELLUNG DER BERLINER SECESSION
Von Hans Rosenhagen
Secession ist eine Mode. Mit dieser klassischen
Erklärung suchen sich die Gegner
der Secessionen über deren Dasein fort-
zutrösten und zu beruhigen. Sie thuen es
nunmehr seit zehn Jahren und bemerken in
ihrer blinden Entrüstung nicht, dass dieser
Zeitraum allein schon ihre Ansicht lächerlich
erscheinen lässt. Denn welche Mode
hält sich so lange am Leben! Wenn die
Secessionen keinen anderen Daseinsgrund
hätten, als den, die nach neuen Eindrücken
lüsterne Kulturmenschheit für einige Zeit zu
unterhalten — sie wären längst verschwunden.
Nein, die Secessionen waren und sind noch
eine Notwendigkeit. Sie werden erst dann
aufhören, wenn es keine grossen Kunstjahrmärkte
mehr giebt, wenn der Massenkunst-
genuss, wie er jetzt noch in den europäischen
Hauptstädten zum Entsetzen aller geschmackvollen
Menschen floriert, allgemein als eine
Barbarei, als eine Sünde gegen den heiligen
Geist der Kunst erkannt und der Verachtung
anheimgefallen ist.
Auch als Etikett für eine bestimmte
„Richtung" wird das Wort Secession gern
benutzt. Ebenfalls durchaus missverständlich;
denn es hat kaum ein erfolgreiches Kunstwerk
in den Ausstellungen der Secessionen
gegeben, das nicht nach kürzester Zeit von
Nichtsecessionisten nachgeahmt worden wäre,
so dass z. B. die Grosse Berliner Kunstausstellung
, auf das Aeusserliche angesehen,
mindestens ebenso secessionistisch in ihrem
Inhalt ist wie die Ausstellung der Berliner
Secession. Man muss endlich aufhören,
diesen thörichten Unterschied zu machen.
Die Bedeutung der Secessionen — der Berliner
wie aller anderen — beruht darauf,
dass sie gute, gewählte Kunstausstellungen
inscenieren, in denen ihres geringeren Um-
fangs wegen das einzelne Kunstwerk und
der einzelne Künstler besser zur Geltung
kommen als in den Ausstellungen der Nichtsecessionisten
. Je qualitätvoller eine Ausstellung
, umso achtungswerter die Künstlervereinigung
, die sie zusammengebracht. Und
Qualität ist in diesem Falle nur durch Einschränkung
und strenge Sichtung zu erzielen;
denn Kunst, gute Kunst wird nicht in Massen
produziert.
Durch die aus der Beschränkung resultierende
Uebersichtlichkeit der Secessions-
ausstellungen ergiebt sich aber noch ein
anderes für die Beurteilung von Kunstaus-
Hie Kunst für Alle XVII. 19. 1. Juli 1902.
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