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-a-£^> VON AUSSTELLUNGEN UND SAMMLUNGEN C^=^
prächtigen Serien der »Actualites«, »Carricatures«,
der »Bas-Bleus«, der »Moeurs conjugales«, »Bons
bourgeois«, »Baigneurs et Baigneuses« und der
»Ollen Griechen« des bitteren Menschenverächters
Daumier, an den die Pariser Eleganz verherrlichenden
»Masques et visages«, an »Thomas Vireloque« und
den »Vieilles Lorettes« des erst so liebenswürdigen
und später so spottsüchtigen Gavarni und an den köstlichen
Spiessbürgerlichkeiten des behäbigen Monnier.
Und während jetzt in allen Berliner Kunstsalons
die grösste Oede herrscht, hat Cassirer den seinen
einfach und kostbar mit den Perlen seines Besitzes
ausgestattet, unter denen als Neuheit das lebensgrosse
Bildnis eines halberwachsenen Mädchens von Francesco
Goya leuchtet. Sehr fein ist daran der von
grossen braunen Augen belebte Kopf und das weisse
duftige Musselingewand. An den entblössten Armen
scheint herumgearbeitet zu sein. Die helle Gestalt
— in der rechten Hand hält das hübsche Kind ein
paar Narcissen — steht auf einem Wiesenplan effektvoll
gegen eine schwärzlich-grüne Landschaft. Neu
ist auch ein wunderschöner Sisley »Umgebung von
Marly«, im Vordergrunde Weinstöcke, hinten weisse,
sonnenbeschienene Häuschen und darüber der
sanfteste weissblaue Frühlingshimmel. Man findet
ferner zwei tonschöne ältere Landschaften von
Pissaro »Pommiers ä Pontoise« (1868) und die
»Dorfkirche« (1870). Eine in Berlin ziemlich unbekannte
Erscheinung, den Marinemaler Eugene
Boudin, lernt man in einer grösseren Kollektion
von Bildern kennen. Er vertritt einen gemässigten
Impressionismus und hat einmal zur Popularisierung
dieser Richtung beigetragen. Sicherlich ist er kein
geringer Künstler; aber man hat das Gefühl,
er kokettiert ein wenig mit dem Publikum, das
saubere Zeichnung verlangt und für die suggestiven
Reize der Farbe kein Verständnis hat. Seine Sachen
sind Kunsthändlerbilder im vornehmsten Sinne.
Uebrigens sind einige von Boudins Arbeiten entschieden
geistreich, so die kleine Leinwand »Sur la
plage« mit den in der Sonne sitzenden Badegästen,
oder »Etaples«, dessen sonderbarer Kirchturm und
kleine Häuschen sich in einem blauen See spiegeln.
Als Marinemaler leistet er ganz Hervorragendes.
Bilder, wie die »Crevettenfischer«, »Bassin de Dean-
ville«, »Vue d'Antibes« oder »Le marais de Dean-
ville« mit der wunderbaren grossen Luft, dem
spiegelnden Sumpf, links eine von Menschen belebte
Promenade, rechts das offene Meer, sind die Arbeiten
eines aufmerksamen Beobachters der Natur
und eines geschmackvollen Malers. In einem »Canale
grande« lässt der Künstler freilich aus, vielleicht
um der Trivialität der üblichen Venedigbilder aus
dem Wege zu gehen. Die übrigen in der Ausstellung
vorhandenen Bilder sind von früheren
Gelegenheiten her bekannt: Slevogts »Schehe-
rezade«, sein in der Frische und Wahrheit der Farbe
an Manet heranreichendes »Maximilianeum«, das
Selbstbildnis mit den beiden Damen im Hintergrund;
Liebermanns sonniger »Schweinemarkt«, Monets
»Dejeuner sur l'herbe«, »Landhaus«, »Blick auf die
See« und »Amsterdamer Kanal«; verschiedene Arbeiten
von Ulrich Hübner, Trübners »Adam und
Eva«, das »Damenbildnis« von Degas und dessen
»Plätterin«. Aber kann man gute Bilder oft genug
wiedersehen! Sie gewähren immer aufs neue Genüsse
und Erhebung, während schlechte neue Bilder
stes bedauern lassen, dass man kostbare Zeit opfert,
ohne den geringsten Vorteil aus der Bekanntschaft
mit ihnen zu erlangen. H. R.
"DUDAPEST. Die Hauptanziehungskraft unserer
diesjährigen Frühlings-Ausstellung bildet die
Kollektion englischer Bilder, welche George Sauter
zusammengestellt hat, und die Kollektion Eugen
Bracht's. Die erstere zählt von sechsundzwanzig
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