Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 5. Band.1902
Seite: 484
(PDF, 174 MB)
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-a-4^> MÜNCHENER SECESSION: SOMMER-AUSSTELLUNG -C^=^

fährt den altersschwachen Dienstmann? Ach
nein, ihr Rollen reisst nur mich aus meinen
Träumen. Noch schreiben wir 1902 und noch
schreiben wir leider auch Kunstkritiken.

Und die Künstler denken, wir thäten es
gerne! Ach nein, meine Freunde, dies kann
ich euch versichern, wir alle oder doch die
allermeisten unter uns, sehnen uns darnach,
abgeschafft zu werden! Aber „da kannst nix
machen", wie man in München sagt. Ich
fürchte, solange es Zeitungen geben wird,
werden die Zeitungsleser wissen wollen, was
„ihr Blatt" über die ausgestellten Bilder zu
sagen hat; und selbst wenn die Tageskritik
einmal auf ein Jahr oder zwei zu Gunsten des
Selbstanzeigenkatalogs abgeschafft würde, im
dritten würde das Publikum sich nicht mehr
damit begnügen, in dem neuen Katalog zu
lesen, dass alle Bilder vortrefflich sind (und
das würde ja doch zwischen den Zeilen all der
Selbstbesprechungen stehen),sondern es möchte
von dem Kritiker „seines Blattes" wissen,
welche Werke er gut und welche er schlecht
findet. Denn — und das ist ein Hauptgrund
dafür, die Kritik nicht untergehen zu lassen

• der richtige Zeitungsleser will sich nicht
nur über die Bilder ärgern, die ihm nicht
gefallen, sondern auch über den Kritiker,
dem wieder andere Bilder nicht gefallen; und
dann das ist der zweite Hauptgrund gegen
die Abschaffung der Kritik mit ihr würde

HUBERT VON HEYDEN HAHN, HENNE TREIBEND

Sommer-Ausstellung der Münchener Secession

den Künstlern der einzige Boden unter den
Füssen weggezogen, auf dem sie alle einig
sind: Alte und Junge, Pleinairisten und
Saucenmaler, Begas-Schüler und Hildebrand-
Schüler, sie alle fanden sich doch bisher in
dem einen zusammen, dass sämtliche Kritiker
Trottel und böswillige Ignoranten sind. Das
gemeinsame Räsonnieren über die Kritik bildet
eine so angenehme Unterbrechung in dem
manchmal etwas eintönig werdenden gegenseitigen
Räsonnieren der einen Künstler über
die anderen, dass ihr Leben um einen unersetzlichen
Reiz verarmen würde, wenn es
eines Tages keine Kritiker mehr gäbe.
Item: Die Hoffnung auf baldigen Abschluss
unserer verfehlten Existenz ist leider trügerisch
. Auch künftighin werden wir Parias
des Kunstlebens die Ausstellungen durchschleichen
, seufzend unter dem Fluche, darüber
schreiben, uns und der Mitwelt den Spass an
der Sache verderben zu müssen.

Darum gehe ich ja so gern in die Alte
Pinakothek, weil ich dort von Saal zu Saal
wandern darf erhobenen Hauptes und unge-
zückten Bleistifts, in dem beseeligenden Be-
wusstsein, nicht am andern Tag schwarz auf
weiss der lauschenden Mitwelt verkünden zu
müssen, dass der „bekannte Pferdemaler
Wouvermanns auch in diesem Jahr sich von
der abgeschmackten Schrulle, in der Mitte
jedes seiner Bilder einen Schimmel anzubringen
, nicht losmachen
konnte", oder
dass „dem immer
süsslicher im Ton
werdenden Tizian
dringend zu raten
wäre, einmal bei dem
herben, aber ehrlichen
Pleinairisten
Piero di Cosimo in die
Schule zu gehen", oder
dass „dem talentvollen
P. P. Rubens, wenn er
in seinerunheimlichen
Schnellproduktion und
seiner apoplektischen
Manier noch ein paar
Jahre so fortmache, der
künstlerische Bankerott
mit Sicherheit
vorausgesagt werden
könne", oder dass
„Dürer mit einem
Selbstporträt auf einer
Stufe tüftelnder Spitzpinselei
angelangt sei,
die schon fast an den

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