http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_05_1902/0566
ein alter schäker
edmund harburger
Jahres-Ausstellung im Münchener Glaspalast: Luitpoldgruppe
DIE JAHRES-AUSSTELLUNG IM MÜNCHENER GLASPALAST
Von Dr. Georg Habich
Der Glaspalast zeigt in diesem Jahr im
Aeusseren kein von den früheren sehr
abweichendes Bild. Abgesehen davon, dass
die lange Wandelhalle im östlichen Flügel
einer Reihe recht günstig beleuchteter Bildersäle
und einem kleineren Gelass für Bildhauerarbeiten
gewichen ist, empfängt das alte,
ausgediente Gebäude den Besucher in derselben
Toilette wie im Vorjahre. Im Vestibül
steht nach wie vor über den Wasserbecken
Rümann's kolossaler Prinzregent, und der
lichte, hohe Raum dient einer Reihe von
anderen, übrigens ziemlich belanglosen Plastiken
als Folie. Man hätte an dieser Stelle
vielleicht in diesem Jahr etwa Hildebrand's
neuen Strassburger „Rhenus" erwarten dürfen,
ein Bildwerk wie geschaffen als Brunnenfigur
für das Becken im Vestibül und wahrlich nicht
das Schlechteste, was aus Münchener Bildhauerateliers
der letzten Jahre hervorgegangen.
Für die Räume der Secession, deren Mitglied
Hildebrand ist, wäre die Statue ohnehin
zu gross gewesen. Bei dieser Gelegenheit
eine andere Frage. Warum entschliesst sich
die Ausstellungsleitung nicht endlich dazu,
den Eingang zum Palast aus der engen, abgelegenen
, unansehnlichen Sophienstrasse auf
die Südseite in den botanischen Garten zu
verlegen. Abgesehen von der ungleich grossartigeren
repräsentativen Wirkung, die sich
hier durch eine vornehme Portalarchitektur
erzielen Hesse, wären auch neue schöne Nordlichträume
, die jetzt Garderoben und Bureaux
dienen, für Ausstellungszwecke gewonnen,
während die jetzt auf der Südseite liegenden,
von allen Wissenden sorgfältig gemiedenen
sog. Totenkammern recht gut administrativen
und anderen praktischen Zwecken dienen
könnten. Der botanische Garten aber, der
als solcher im Zentrum der Stadt in nächster
Nähe des Bahnhofs überhaupt übel an seinem
Platze ist, fände als Ausstellungs- oder Stadtpark
, wie ihn jede deutsche, mittlere und
Kleinstadt als Treffpunkt für Fremde und die
elegantere einheimische Welt längst besitzt,
endlich die einzig richtige Verwendung. Was
unsere Glaspalast-Ausstellungen nachgerade
berüchtigt macht, ist nach aller Urteil ihre
„Eintönigkeit". Ja, eintönig wirkt diese unabsehbare
Flucht auf gleicher Ebene liegender
Säle und Zimmer trotz aller dekorativen Mätzchen
, aber viel weniger durch die darin gebotene
Kunst als infolge der unglücklichen zerstreuten
, dämmernden Oberlichtbeleuchtung,
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