http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_05_1902/0623
WILLY SPATZ
FLUCHT DER HEILIGEN FAMILIE
Deutsch-Nationale Kunstausstellung zu Düsseldorf
als den hergebrachten Wegen farbig auszusprechen
, gern anerkennen will. Ein viel
innigeres Verhältnis zur Natur zeigt hier sein
feines schlafendes Kinderköpfchen.
Am überraschendsten ist der Umschwung,
der sich auf dem Gebiete der Düsseldorfer Landschaftsmalerei
vollzogen hat. Den sauberen
Vedouten und den billigen Wald- und Wiesenbildchen
von der Düssel ist wohl mit am
meisten das geringschätzige Urteil zuzuschreiben
, das die ganze Düsseldorfer Kunst
traf. Und eine unverständliche Kurzsichtigkeit
war es, dass man dieser Fabrikware gestattete
, auf auswärtigen Ausstellungen den
Namen Düsseldorf zu verschandeln. Es hat
unterdessen eine ganz andere Art, die Landschaft
und die Natur zu sehen, in Düsseldorf
eingesetzt. Die Brillen sind zerbrochen,
die Schleier sind zerrissen, Erde und Himmel
leuchten und glänzen jetzt in unzähligen
Tönen und es sind wahre Entdeckungsfahrten
in die Schönheiten der heimischen Natur, die
die Jungen mit ihren frischausgewaschenen
Augen jetzt angetreten haben. Wäre nur auch
hier die Auswahl eine strengere! Warum so
viel Durchschnitt? Die Hälfte hätte genügt.
Es ist nicht die Aufgabe eines solchen Ausstellungsberichtes
, die Würdigung aller längst
bekannten Grössen zu wiederholen: nur das
Neue ist aufzuzeichnen. Ueber die alten Koryphäen
, die Brüder Achenbach, auch über
Kröner braucht man kein Wort zu verlieren :
sie sind mit ihrer nun schon historischen Kunst
würdig vertreten. Immer jugendlich und frisch
wirkt Eugene Dücker, der hier in drei Landschaften
ganz verschiedene Wirkungen anstrebt
. Seine Kunst gehört zu der, in die
man sich immer mehr hineinsieht, die zum
Bleiben auffordert, an der man immer mehr
geheime Schönheiten entdeckt. Wie köstlich
fein im Ton ist seine Abenddämmerung in
dem Stranddorf mit dem aufgehenden Mond
- mit welcher Sicherheit sind hier die Töne
in dem Zwielicht abgestimmt und wie
tief poetisch ist diese ganze Landschaftsauffassung
. Kaum einer, der so gut und
richtig eine Luft zu malen versteht. Eine
fast wissenschaftliche Ader kommt hier bei
ihm hinzu — man sehe auch seinen feinen
Gelehrtenkopf daraufhin an — er hat so
etwas von einem Meteorologen. Gregor
von Bochmann ist eine ganze Koje eingeräumt
, in der er nicht weniger als siebenund-
dreissig Werke ausgestellt hat. Die hohen
Qualitäten seiner vornehmen Salonkunst
braucht man heute nicht mehr hervorzuheben
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