Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 6. Band.1902
Seite: 79
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E. BARLACH

RUBENSAMMLER IN

die Natur nur einen Bruchteil schöpferischen
Vermögens, nur einen Ton aus der Harmonie
geschenkt hat. Aber der Trieb ist auch in
ihnen so stark wie in den Grossen; er drängt
unaufhaltsam zu Resultaten, sehnt sich nach
dem Gedicht und kommt doch nicht über ein
Stammeln abgerissener, schöner Gedanken
hinaus. Wer Ehrfurcht vor dem Leben hat,
der kann sein Mitgefühl nicht diesen Unvollkommenen
versagen: sie kämpfen den schwersten
Kampf, den mit sich selbst, in jeder
Stunde ihres Lebens, geben ihre Ruhe,
ihr Glück, schliesslich ihr Leben hin für
eine Idee der Zukunft. Denn all ihr Thun
ist Vorbereitung, sie sind Pfadfinder in einer
wirren Uebergangszeit, Pioniere einer neuen
Kunst. Sie widmen die beste Kraft dem Verneinen
; die folgende Generation hat den
Erfolg.

Auch der Bildhauer Barlach, von dem
hier einige Arbeiten reproduziert sind, gehört
zu denen vom Geiste Rodin's. Er ist
ein nervöses, stürmisches Temperament, das
mit zusammengebissenen Zähnen nach persönlicher
Kunstform ringt. Als Bildhauer
ist er eigentlich Maler, als Maler Zeichner,

alsZeichnerOrnamentiker, daneben litterarisch
beeinflussbar wie alle Mischtalente; — und am
Ende ist er doch wieder nur Bildhauer. In
seinen Entwürfen für Denkmäler, die so unarchitektonisch
wie möglich sind, findet man
phantastische Zerrissenheit und eine wild vergeudete
Einbildungskraft neben den Zeichen
feinster psychologischer Beobachtung. Ursprünglichkeit
ohne Verfeinerung, dramatische
Accente ohne Monumentalität, Schönheiten
ohne das notwendige Mass plastischer Ruhe;
und überall streift dann das unruhvolle Temperament
die Grenzen, wo das Charakteristische
zur Karikatur wird. Er will zu viel,
will alles und kommt nirgends zum Ab-
schluss. In den plastischen Entwürfen und
in den Zeichnungen: immer spürt man den
rhythmischen Drang, der sich im ornamentalen
Schwung bewegt und die Neigung für
die pathetische Silhouette. Hier ist eine
Kunst, die tanzen möchte und noch nicht
gehen kann, die feierlich reden will, während
sie noch nach der Sprache sucht.

Solche Begabungen können in unsern Tagen
nur in den angewandten Künsten praktische
Bethätigung finden. Aber ihre endliche Be-

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