Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 6. Band.1902
Seite: 81
(PDF, 126 MB)
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Varia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Public Domain Mark 1.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_06_1902/0093
To i

Co ,




LUXUSKUNST ODER VOLKSKUNST?

von

Hermann Obrist

,0 •

U

nter den vielen Vorwürfen, die
man uns modernen Handwerkskünstlern
macht, befindet sich
auch der, dass wir, in arger Verkennung
der Bedürfnisse unseres
Volkslebens, immer nur Arbeiten
herstellten, die infolge ihrer Preise
lediglich den oberen Zehntausend
zugänglich seien. Was unser Volk
brauche, wäre eine echte Volkskunst
: einfache, praktische, geschmackvolle
und doch billige
Dinge ohne alle Prätention, heimatlich
—• volkstümlich — national:
kurz, so recht deutsch; und es
wäre eine edlere Aufgabe für uns
Künstler, diese soziale Aufgabe zu
erfüllen, als so unserer Privatlaune
zu fröhnen. Mein Freund M. hatte
hierüber sogar eine Broschüre geschrieben
und auf die wundervollen
holsteinischen Bauernmöbel
als Vorbilder hingewiesen, und oft
sprachen wir miteinander darüber
auf seinem Kanapee sitzend, vor
uns einen ovalen Tisch mit Plüschdecke
und einer Blattpflanze darauf.
Als er sich verheiratete, beschloss
er, sein Esszimmer und seine gute
Stube (die ist doch deutsch-
national?) in Volkskunst herstellen
zu lassen. So ging er mit einem
einfachen soliden Schreiner aus der
Nachbarschaft ans Werk. Wie die

ersten Stücke kamen, war er starr
über deren ordinäres Aussehen.
Er konnte es gar nicht begreifen;
er hatte doch so schöne Photographien
holsteinischer Möbel hergegeben
! Vier Monate wurde probiert
, ehe es einigermassen besser
wurde. Das Esszimmer kostete
ihm 985 Mark. Er erfuhr aber
noch obendrein, dass der Schreiner
zu seiner, M's. Frau gesagt habe,
etwas feines wär's nicht, was sich
der Herr Oberlehrer da angeschafft
habe und dass seine eigene
Frau dem Schreiner nicht widersprochen
habe. Da verzichtete er
auf die gute Stube in Volkskunst.
Seitdem ist er sehr still geworden.

In der That, was ist Volkskunst?
Kunst, vom Volke gemacht, also
von Schreinern, Schlossern oder
von den Fabriken, oder Kunst
für das Volk gemacht, also für
den Bürger, Beamten, Kaufmann?
Oder für die besser Situirten?
Oder für die Reichen? Was ist
Volk, wer ist das Volk? Was
thut denn der Schreiner, wenn er
einen Auftrag erhält? Er holt
seine Vorlagenwerke und seine
Musterbücher hervor und entwirft
etwas, das seiner Firma „Ehre"
macht. Brauchen wir ein Bild
dessen herauf zu beschwören, was

o '

o P°3<3~,

o

"o

o

0 A °'
o

Dekorative Kunst. V. 3. Dezember 1901.

81

11


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_06_1902/0093