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ALBERT BARTHOLOME URSPRÜNGLICHE SOCKELFIGUR
AM MONUMENT AUX MORTS « «
der Mitte zu. Es sind die Todgeweihten.
Auf der rechten Seite voran ein hagerer Alter
mit schlotternden Knien, der sich mühsam
an die Pforte anklammert, nicht angstvoll
und zitternd vor den kommenden Schrecknissen
, nur wie ein todmüder Wandersmann,
der endlich, endlich die ersehnte Herberge
erreicht hat. Oder will der Greis La Fon-
taines Wort wahr machen: Le plus semblable
aux morts meurt le plus ä regret? Dann
eine Gruppe von drei Mädchen in verschiedenem
Alter. Die eine vorn in namenlosem
Schrecken auf den Boden niedergeworfen,
die Hände vor die Augen gedrückt und das
Antlitz zu Boden gekehrt; die gelösten Haare
fluten breit über das Haupt und den Grund.
Hinter ihr ein Mädchen, auf den Knien sich
hoch aufrichtend, wie erstarrt, mit einer
inbrünstigen Bewegung die gefalteten Hände
an das Kinn drückend; nicht Entsetzen hat
sie versteinert, nur die Schauer des Todes
haben sie ergriffen. Und zwischen den beiden,
fast stumpf, ein kleines und hageres Geschöpf,
auf den Boden gekauert. Dann ein engverschlungenes
Paar; matt, in tötlicher Erschlaffung
, fast zusammenbrechend das Weib,
dessen schöne Haarmasse wie von Tränen
durchnäßt schwer herabhängt, der Gatte, der
vor ihr kniet, in einem fast lysippischen Bewegungsmotiv
, umfaßt sie mit beiden Händen
weich und liebreich tröstet er sie milde,
sucht er sie zurückzuhalten? Und endlich
die rührende und ergreifende Schlußfigur:
das knieende Mädchen, mit dem Oberkörper
schon der Pforte zugewendet, das dem entschwindenden
Leben und den zurückbleibenden
Lieben eine letzte Kußhand zuwirft: die
Augen sind halb geschlossen, die Rechte ruht
mit einer zarten und keuschen Bewegung auf
der Brust.
Viel stürmischer und leidenschaftlicher die
Bewegung auf der anderen Seite, die nur
nach links, nach der Höhe der Gruppe zu,
langsam abebbt. Voran eine Greisin, ganz
in Schmerz versunken, zusammengekauert dasitzend
, die untere Hälfte der Figur weise verhüllt
, die Hände verkrampft, die Ellenbogen auf
die Kniee gestützt, das tote Kind wie ein Pack
Kleider über die linke Schulter geworfen.
Eine wunderbar ergreifende Gruppe in dem
herben Naturalismus man denkt an die
verwandte Gruppe von Jean Dampt, „Le baiser
de l'aieule" im Luxembourg-Museum. So hat
Antoni Deschamps in der ,jeune fille morte'
von der jammernden Klage um das einzige
Kind gesungen. Dann drei Paare, die in
immer neuer Variation das Schaudern vor
dem Scheiden und das Trösten und Stützen
durch den Geliebten verkörpert. Das erste
junge Weib lehnt sich müde von dem Vorwärtsschreiten
über einen Grabstein, es tastet sich
furchtsam an der Wand hin, liebkosend lehnt
der neben ihr kauernde Gatte seine Wange
an ihre Schulter. Weiter ein zweites Paar:
das Weib, das unaufhaltsam dem Eingang
der Grabkammer zugetrieben wird man
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