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^> VON AUSSTELLUNGEN UND SAMMLUNGEN <ö^=
wendung des ganzen toten Formenkrams läßt indessen
erkennen, daß seine Begabung lediglich kunstgewerblicher
Natur ist. Wer das dem Bilde nicht absieht,
wird durch die dazu gehörigen Studien überzeugt.
Ein Künstler mit offenen Augen wird niemals vor
dem Leben wie ein Gotiker zeichnen. Eine derartig
gemimte Meisterschaft kann allein Unerfahrenen
oder Leuten, die durch literarische Beziehungen
interessiert werden, imponieren. Außerdem sind
die Studien schlecht genug gezeichnet, so daß ihr
Dasein nur den Eindruck von Koketterie verstärkt,
den Lechters ganzer Symbolismus macht. — In
Ed. Schuttes Kunstsalon erscheint als homo novus
für Berlin der Schwede Gustav Adolf Fjaestad.
Man hat seit Thaulow so trübe Erfahrungen mit der
Weiterentwicklung der nordischen Schneemaler gemacht
, daß man jedem von ihnen mißtraut, zumal,
wenn, wie bei Fjaestad, die Gefahr, süßlich zu werden,
in drohender Nähe ist. Einstweilen empfiehlt sich
dieser Künstler freilich noch durch eine gewisse
Herzlichkeit, mit der er die Natur im Winterkleide
schildert. Er erinnert mit seiner naiven Art des
Malens zuweilen an Karl Haider, aber er hat die
lichten Farben der modernen Palette, und malt,
wenn's angebracht ist, den hellsten, naturalistischsten
Sonnenschein. Am meisten gelungen sind hier seine
Bilder »Treibschnee auf dem Eise«, »Mondschein im
Frühling«, »Verschneiter Ast bei Sonnenschein «, und
»Frühling auf dem Eise«. In allen ist sowohl die
besondere Stimmung der Jahreszeit als auch die
eigene Schönheit der nordischen Natur gut getroffen.
Die bei hellem Himmel von blinkenden Schnee-
louis corinth « bildnisstudie:
max liebermann
kristallen glitzernde Luft haben nicht viele Maler
so überzeugend gegeben wie Fjaestad; aber leicht
wird er bei Wiedergabe von sonnenbeleuchtetem, dickaufliegendem
, in den Schattenpartien blauem Schnee
aufdringlich und süßlich. In eine böse Richtung —
halb Hendrich, halb Kayser-Eichberg — ist Fjaestads
Landsmann Gottfried Kallstenius geraten.
Er kennt nur noch den groben Effekt, den schwarze
Baumriesen gegen die helle Luft der nordischen
Sommernächte, gegen Abendrot oder Mondlicht hergeben
. Sympathisch, auch wenn er nichts Bedeutendes
zu bieten hat, bleibt der Belgier Emile Claus.
Sein Impressionismus ist freilich ein wenig
Konvention, aber er sieht mit Maleraugen. Dinge,
wie »Das geschlossene Haus«, auf dessen gelbe Wand
die Schatten davor stehender kahler Bäume fallen,
oder die »Kapelle bei Bordighera« mit der, gleich
einer hohen funkelnden dunklen Wand gegen den
Horizont stehenden See, malt nur ein ernsthafter
Künstler mit diesem Aufwand von Beobachtung.
Von dem übrigen, sehr ungleichen Inhalt der Ausstellung
verdienen als bemerkenswert einige in
schwerflüssiger braunroter Farbe gemalte Interieurs
und ein Porträt »Im Theater« von dem Belgier
Jules Potvinin, das sehr gediegene Bildnis eines
Herrn im Jagdpelz von einem hoffnungerweckenden
Neuling Ernst von Flotow-Grüssow und
einige Landschaften von Joh. Georg Dreydorff,
der einen vorsichtigen zeichnerischen Impressionismus
, ähnlich wie Paul Baum vertritt, hervorgehoben
zu werden. Ueber die Kollektionen von Karl Seiler
und Frich Kubierschky könnte nur Oftgesagtes
wiederholt werden. Hans Rosenhagen
t/"RAKAU. Unser Künstlerhaus hat sich seit
einiger Zeit nicht über Mangel an zur Ausstellung
eingeschickten Kunstwerken zu beklagen.
Schlimmsten Falls hat dessen Direktion immer noch
eine »Reserve« bei der Hand: nämlich mehrere in-
oder ausländische Bilder, die sich hauptsächlich
durch ihre Größe auszeichnen und demzufolge den
Platz auf den Wänden hübsch ausfüllen. Zu solchen
»Kunstwerken« gehört z. B. das jetzt ausgestellte,
riesige Historienbild Johann Styka's: »Fürst
Witold vor der brennenden Stadt Kowno.« Der
Vorwurf des Bildes ist den Kämpfen der Littauer
mit dem Deutschen Ritterorden im vierzehnten
Jahrhundert entnommen. Das vollkommen mißlungene
Bild ist im Geiste der Traditionen sogenannter
Matejko-Schule gemalt. An ihm ist zu
bemerken, daß der geniale Matejko mit vielen großen
Meistern das Mißgeschick teilt, gleich ihnen durch
seine künstlerische Tätigkeit eine Menge talentloser,
aber ehrsüchtiger Epigonen geschaffen haben. Stykas
Bild ist weder komponiert noch ordentlich gemalt
oder gezeichnet. Es fehlt ihm sogar jedes dekorative
Gepränge, das in solchen quasi historischen Bildern
sehr oft den Mangel an anderen Qualitäten zu decken
pflegt. Nur Anspielungen an gewisse politische Ereignisse
konnten diesem Bilde, sowie dem Cyklus desselben
Malers unter dem Titel »Wrzesnia«, ein aktuelles
Interesse in den Augen des polnischen Publikums
verleihen. Ein unmittelbarer Uebergang von diesem
Maler zu Jacek Malczewski ist ziemlich schroff
aber gerechtfertigt durch den Wirrwarr selbst, der in
unserem Künstlerhause bei Verteilung der Werke einzelner
Künstler in verschiedene Räume herrscht. Das
von ihm ausgestellte »Porträt des Dr. K.« und ein
Triptychon »Drei Köpfe« benannt, können als wahre
Meisterwerke gelten. Seine ungewöhnliche Individualität
findet eigene künstlerische Wege in einer
starken, originellen Maltechnik sowohl, als auch in der
poetischen Auffassung eines jeden Gegenstandes,
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