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VON AUSSTELLUNGEN UND SAMMLUNGEN <S^~
den er behandelt. Als Porträtmaler gibt er echte
Kunstwerke, nicht gedankenlose Abbildungen, wie
es oft bei anderen Malern geschieht und in der
Komposition entwickelt er eine wahre Virtuosität.
Eine Kraft ersten Ranges hat unsere Malerei in dem
jungen Maler Eduard Okun gewonnen, der gegenwärtig
in Paris lebt. Er schickte jüngst nach Krakau
mehrere Bilder, welche ein schlagendes Zeugnis
für die großen Fähigkeiten des Künstlers abgeben.
Okun ist ein Moderner im besten Sinne dieses
Wortes. Er hat alte Kunstformeln verworfen, hütet
sich aber zugleich vor krankhaften Extravaganzen,
in welche die Kunstproduktion des letzten Dezenniums
so leicht ausartete. Sein allegorisches Bild
»Die Liebe«, auf ihm überwältigt eine weibliche
Gestalt einen Mann mit dämonischer Kraft, macht
einen packenden Eindruck. Ein anderes Bild »Die
erlöschende Lampe« ist voll feiner Poesie, ebenso
das »Beim Brunnen« betitelte Bild mit einer anmutigen
weiblichen Figur. An Böcklins Einfluß erinnern
die Kompositionen: »Der Abschied«, »Der
Vorwurf« und »Das Autoporträt«. Nur etwas mehr
Sicherheit im Zeichnen und stärkere Durchsichtigkeit
im Kolorit könnte Okun nicht schaden. — Unter
einer Masse von Landschaftsbildern — momentan
gibt es derer in der Ausstellung über hundertfünfzig
Stück — verdienen nur wenige eine Erwähnung. Zu
den besten Werken dieser Art gehören, wie fast
immer, sämtliche »Tatra-Bilder« des gediegenen
Landschaftsmalers Alexander Mroczkowski, der
fortwährend aus dieser wunderschönen Gegend auf
eine künstlerische Weise neue Vorwürfe für seine
Bilder zu schöpfen versteht. Noch ein tüchtiger
Landschaftsmaler ist Damazy Kotowski. Sein
»See« wird allgemein gelobt, ebenso eine Serie
kleinerer Landschaften und Skizzen von Iwan
Trusz, der auch ein größeres, sehr gelungenes Bild
»Szewczenkos Grabhügel«, ausstellte. Anton Pio-
trowski's »Die melancholische Stimmung« mit
einer klassischen Scene und Michael Pociecha's
kräftig gemalte Aquarelle »Der Waldsaum« gehören
auch zu den besten der jetzt ausgestellten Landschaften
. — Von Kunstnachrichten ist zu notieren,
daß infolge der regen Tätigkeit, welche in Krakau seit
etlichen Jahren beim Restaurieren der zahlreichen
Gotteshäuser herrscht, die nachstehenden Kirchen
in letzter Zeit polychromische Dekoration erhalten
haben: Die Schatzkammer bei der Kathedrale am
Wawel, ausgeführt von Prof. Mehoffer, die Franziskanerkirche
von Wyspianski und eine Kapelle der
Marienkirche von Tetmajer. Diese an und für sich
sehr gelungenen Wandmalereien erwecken noch dadurch
ein besonderes Interesse, daß die genannten
Künstler in sie so viel als möglich von heimischen
Motiven hineinzubringen sich bemühten. Ihre Bemühungen
stehen im engen Zusammenhange mit dem
Bestreben jener Kunstfreunde und Künstler, welche
in Krakau einen Verein zur Förderung der nationalen
polnischen dekorativen Kunst gegründet haben.
Weiter soll noch erwähnt werden, daß in baldiger
Zeit ein Grottger-Monument, ausgeführt von Szyma-
nowski, auf den städtischen Anlagen, dem Künstlerhause
vis-ä-vis enthüllt werden wird. Das Künstlerhaus
selbst endlich soll seine äußere Dekoration,
bestehend aus fünf kolossalen bronzenen Büsten,
demnächst auch erhalten. — Für Oktober steht die
erste Ausstellung der neuen Künstlergenossenschaft
»Salon« bevor, Josef Nekanda Trepka
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