http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_07_1903/0127
OTTO FISCHER lithogr.
OTTO FISCHER
Der Dresdener Maler und Radierer Otto
Fischer ist wohl so ziemlich das einzige
von den in den letzten zehn Jahren in der
sächsischen Kunststadt mit so großen Hoffnungen
empfangenen jüngeren Talenten, das
eine ununterbrochene starke Entwicklung gehabt
hat. Wenn ihm auch diese Entwicklung
bis heute kaum einen breiteren Erfolg eingetragen
hat, so doch die steigende Teilnahme
der Besten.
Der „Sommertag", der diesem Heft in mehrfarbiger
Nachbildung beigegeben ist, gehört
zu den wenigen modernen Gemälden, die ohne
links mit der naturalistischen Studie oder
rechts mit neuromantischer Stimmungsmache
oder dergleichen zu liebäugeln, nur innerlich
notwendiger, gesteigerter Ausdruck eines gesteigerten
Naturlebens sind. Wenn man weiß,
daß diese Arbeit seit Jahren wieder das erste
Gemälde des Künstlers ist, der sich jetzt
wieder mehr der Farbe zuwenden will, so
kommt man in der Tat zu der Ueberzeugung,
daß wir in Fischer eine der besten Hoffnungen
der deutschen Malerei besitzen.
Die drei Reproduktionen nach graphischen
Arbeiten des Künstlers aber beweisen dem, der
sehen kann, daß der jetzt erst zweiunddreißig-
jährige Künstler unter den deutschen Graphikern
schon heute in allererster Reihe steht.
Hier bei diesen Meisterschöpfungen erkennen
wir noch mehr sein tiefes Verhältnis zu den
Dingen, die er darstellt. Es ist nichts Angenehm-
Gefälliges, nichts bloß Geschmackvoll-Dekoratives
, nichts Flottes, Frappierendes, bloß
Gekonntes in diesen Blättern; man muß nicht
nur die Sinnenlust wohlerzogener Augen,
nicht nur die Kenntnisse des Fachmannes,
auch nicht nur die gute Stimmung einer guten
Stunde, man muß schon die ganze Kraft einer
Seele dransetzen, wenn man zu einem Nachleben
, zu einem Ausschöpfen dieser Kunst
kommen will.
So wird man auf dem Gebiete der Lithographie
schon sehr weit gehen müssen, ehe
man etwas findet, was man neben oder gar über
die, obenstehend gegebene wundervolle Steinzeichnung
„Mädchenkopf" stellen kann. So
äußerlich schlicht und anspruchslos wie eine
Die Kunst für Alle XVIII. 5. 1. Dezember 1902.
105
14
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_07_1903/0127